„Ich bin kein Held“

Der deutsche Basketballprofi Dirk Nowitzki spielt bei Dallas in der NBA. Also soll er bei der EM gefälligst Großes leisten? Immer langsam, sagt der Jungprofi  ■   Von Frank Ketterer

Karlsruhe (taz) – Henrik Dettmann läßt kaum eine Gelegenheit verstreichen, um all die Euphorie wieder in Richtung Normalmaß zurechtzustutzen, wenigstens ansatzweise. „Dirk steht am Anfang seiner Karriere, die einiges verspricht“, sagt der deutsche Basketball-Bundestrainer entsprechend zurückhaltend, und außerdem, daß man den jungen Mann auf keinen Fall zu sehr unter Druck setzen dürfe. Schließlich sei nicht vorhersagbar, „ob Dirk schon jetzt ein Star im Nationaltrikot ist“.

Das mag Dettmann mit Blick auf die in einer Woche in Frankreich beginnende Basketball-EMdurchaus so sehen, den meist jugend- bis kindlichen Fans sind die Ausführungen des Bundestrainers indes total egal. Schließlich heißt Dirk mit Nachnamen Nowitzki, ist 20 Jahre alt, 2,13 Meter groß, blond und auch sonst ein ganz netter Kerl, der brav Autogramme schreibt, wenn man ihm nur Stift und Papier entgegenstreckt. Vor allem aber spielt Dirk Nowitzki üblicherweise bei den Dallas Mavericks in der NBA. 47 von 50 Partien hat er seit Januar in der stärksten Basketball-Liga der Welt absolviert, dabei im Schnitt 20,4 Minuten gespielt und 8,2 Punkte pro Match erzielt, weshalb Nowitzki hierzulande nun ziemlich viele Autogramme schreiben muß und fast so viele Interviews geben.

Selbst eine deftige 50:64-Niederlage der Deutschen gegen die Vertretung aus Bosnien-Herzegowina im letzten Testspiel vor der EM bremste die Karlsruher Kids nicht. Die Mannschaftskollegen sehen solche Dinge eher gelasen. „Als NBA-Spieler ist man immer populär“, sagt beispielswiese Spielmacher Kai Nürnberger (33), Senior der ansonsten jungen Mannschaft. Zumal Nowitzki nur nach Außen – und auch das eher unfreiwillig – den Star aus den Staaten gibt. Innerhalb der Mannschaft ist er Gleicher unter Gleichen. „Ich bin kein Held und muß mich genau wie die anderen Spieler erst einmal beweisen“, sagt der junge Mann wohltuend unspektakulär, eine Bescheidenheit, die ihm allem Anschein nach nicht nur zur Zier dient. „ Er ist ganz normal geblieben“, findet Nürnberger. „Er weiß, was er kann, und wir wissen, was er kann.“ Mehr aber auch nicht.

Vor allem in der ersten Testpartie gegen die Bosnier am Freitag in seiner Heimatstadt Würzburg konnte Nowitzki zumindest einen Teil seines beachtlichen Könnens auch der Öffentlichkeit zeigen. 20 Punkte bei 30 Minuten Einsatz steuerte er dort zum 82:76-Sieg bei, was keine schlechte Quote ist für einen, der erstmals seit sechs Monaten wieder in der Nationalmannschaft mitspielte. „Im Angriff fallen ihm Dinge ein, die man hier einfach nicht gewohnt ist“, wunderte sich selbst Kollege Henrik Rödl über so manch gelungene Aktion Nowitzkis. Daß das in Karlsruhe nicht ganz so war, obwohl er mit zwölf Punkten wiederum treffsicherster Werfer war, dürfte seine Ursache – neben einer indiskutablen Mannschaftsleistung – auch darin haben, daß Nowitzki noch nicht richtig fit ist.

Kaum einen Monat ist es her, daß dem jungen Würzburger die Nasenscheidewand gerichtet und die Polypen entfernt wurden, erst seit gut einer Woche steht Nowitzki wieder im Training. „Meine Beine sind im Moment noch ziemlich müde“, sagt er, zudem fällt ihm immer noch das Atmen schwer. „Was ich in den beiden Testspielen gezeigt habe, waren bestenfalls 75 Prozent von dem, was ich kann“, sagt er selbstkritisch. „Basketball „kann man das noch nicht nennen.“

Dafür war's dann aber doch schon verdammt gut. Auch wenn Nowitzki, dessen primäres Ziel EM-Platz sechs und somit die Qualifikation für Olympia in Sydney ist, selbst davor warnt, all zu hohe Erwartungen an seine Person abzuleiten. „In Dallas bin ich mehr eine Paßstation, hier bin ich ein Hoffnungsträger, der Verantwortung übernehmen soll.“ Auch die Folgerung daraus zieht Dirk Nowitzki selbst: „Das wird nicht leicht, anschließend entsteht ein enormer Druck.“ Viel besser hätte es Bundestrainer Dettmann auch nicht formulieren können.