Die Genossen wollen noch nicht zuviel verraten

■ Die PDS sitzt erstmals im Europaparlament. Was das bedeutet, weiß sie noch nicht

Berlin (taz) – Ein fröhliches „Guten Morgen“ auf den Lippen, braungebrannt und dynamisch, schreitet der PDS-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Gregor Gysi, zur Parteivorstandsitzung mit anschließender Pressekonferenz. Im kleinen Konferenzsaal des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses, der Parteizentrale, warten schon Sekt, Blumengedeck und Lothar Bisky. Der Parteivorsitzende umarmt gerade die 22jährige frischgebackene Europaabgeordnete Feleknas Uca aus Celle: „Na, freust du dich?“

Natürlich freut sie sich. Alle hier freuen sich, daß die PDS es geschafft hat ins Europaparlament, daß demnächst sechs PDS-Abgeordnete in Straßburg für „gleiche Rechte für alle“ kämpfen werden, oder, noch origineller, für ein Europa ganz ohne Waffen. Applaus und Gelächter sind durch das offene Fenster des Sitzungssaales zu hören. Und doch scheint die Stimmung etwas verhalten, sei es nun dem Alkoholkonsum des Vorabends geschuldet oder einer gewissen Perplexität ob des eigenen Erfolgs.

Für letzteres spricht die anschließende Pressekonferenz zur Wahl. Bisky und Gysi können eigentlich nur mitteilen, daß sie jetzt so genau noch gar nichts sagen wollen. Sie drücken diese dünne Botschaft natürlich viel eleganter aus: „Wir wissen, daß mit dem Einzug ins Europaparlament eine neue Verantwortung auf uns zukommt“, sagt Lothar Bisky. Die PDS habe einen Europawahlkampf geführt, mit vielen europapolitischen Themen darin. Sie sei nun eine „Kraft von Dauer“. Bei den nächsten Bundestagswahlen strebe man sechs Prozent an und keine Zitterpartie mehr. Die PDS sei ferner nach wie vor eine Anti-Kriegs-Partei: „Unsere Haltung zum Kosovo-Krieg hat sich nicht geändert.“ Man habe in dieser Frage eindeutig Stellung bezogen.

Die Gewinne beziehungsweise Verluste von CDU und SPD könne man noch nicht bewerten, die Zahlen seien ja noch sehr frisch. Die große Frage sei nun, wohin die SPD ginge. Die solle moderne, soziale Antworten finden, keine neoliberalen. Denn dabei würde die PDS sie nicht unterstützen. Anschließend sagt Gregor Gysi nochmal genau dasselbe, nur mit leicht veränderten Worten. Und dann darf die frisch gewählte Europaabgeordnete und designierte Sprecherin der PDS im Europaparlament, Sylvia-Yvonne Kaufmann, ans Mikro. Und verkündet, sie wolle sich für ein soziales, ziviles Europa engagieren und gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen. Denn: „Europa ist ein Zukunftsthema“.

Noch Fragen? Ja: Man habe gerade davon gesprochen, daß man sich noch Gedanken darüber mache, wie auf das Wahlergebnis gerade in bezug auf das Verhältnis der PDS zur SPD reagiert werden müsse – ob man nicht wenigstens einen dieser Gedanken mal hören könne? Lothar Bisky hebt an, wird aber von einem scherzenden Gysi unterbrochen: „Pssst... nicht verraten!“ Aber Bisky will gar nichts verraten: „Tja, wir müssen uns ja immer Gedanken machen.“ Aber ganz im Ernst: „Wir sind gespannt. Wir haben noch keine Szenarien in der Schublade.“ Und: „Wir haben immer gesagt: Nach dem Krieg wird alles anders.“

Plötzlich springt Gregor Gysi auf. „Tut mir leid: ich muß“, verabschiedet sich und verpatzt fast seinen Abgang, als er anstatt der Tür zum Ausgang jene der Besenkammer öffnen will. André Brie, der auf Platz zwei der PDS ebenfalls ins Parlament nach Straßburg geht, wird wohl nicht ganz zu Unrecht der strategische Kopf der PDS genannt: Er war zu dieser Veranstaltung erst gar nicht erschienen. Stefan Kuzmany