Über Irlands grünen Feldern

■ Im Kino 46 wird ab heute eine Woche lang irische Kultur präsentiert

Wenn es ein Erfolgsrezept gibt, mit dem man das Kino 46 für eine Woche bis an den Rand mit Besuchern füllen kann, dann ist es irische Kultur. So heillos versessen und romantisiert wie die Freunde der grünen Insel sind sonst weder die Hispano-, Anglo-, Italo- noch die Francophilen. Auch für diese veranstaltet das Kino 46 immer wieder Kulturtage – mit mäßiger Resonanz. Aber bei den Filmen, Lesungen und Konzerten aus Irland tritt die einheimische Connemara-Fraktion geschlossen an. Dabei versuchen die Veranstalter schon zum dritten Mal gerade nicht die Klischees zu bedienen. Der Slogan „Beyond the Green Fields“ ist programmatisch gemeint: Man soll über die kitschig grünen Felder blicken und dort ein realeres, komplexes Irland entdecken.

Zum Beispiel bei einer so gewagten Veranstaltung wie „Irisch kochen und essen“, die sowohl Lesung wie auch Speisung sein soll. Nun weiß jeder leidgeprüfte Irlandfahrer, daß die dortige Küche eine schlechte Kopie der englischen ist. Schlimmer gehts nimmer! Man darf gespannt sein auf die kulinarischen Entdeckungen des Kochbuchautors Jürgen Schneider.

Im Mittelpunkt des Programms stehen die Filme. Und auch hier wurden solche Werke, in denen Irland nur die idyllisch schöne Kulisse abgibt, beiseite gelassen. Neben einigen Großproduktionen (“Heirat nicht ausgeschlossen“, „The Last of the High Kings“ und leider auch der furchtbar dröge „Tanz in die Freiheit mit Meryl Streep), werden Klassiker wie „The Dead“ von John Huston oder der kaum gezeigte „Der Verräter“ des frühen John Ford gezeigt.

Unter den Erstaufführungen ist ein schon vier Jahre alter Film. Mit „Nothing Personal“ geriet Thaddeus O–Sullivan politisch wie ästhetisch zwischen die Fronten. Die streitbare und sehr blutige Tragödie, in der die Kämpfenden auf beiden Seiten des nordirischen Konflikts gleich negativ gezeichnet werden, lief in Irland und Großbritannien kaum in den Kinos und war in Deutschland gar nicht zu sehen.

Unstrittig gelungen ist dagegen der irische Film „Korea“. In ruhigen Einstellungen wird hier von einem Vater-Sohn-Konflikt im Irland der 50er Jahre erzählt. Viele ausgewanderte, junge Männer aus dem Dorf kämpfen für die USA in Korea. Für die Gefallenen wird eine beachtliche Entschädigung gezahlt, so daß einige irische Familien plötzlich durch den Tod eines Sohnes Kriegsgewinnler werden. Der verbitterte John Doyle will auch seinen Sohn nach Amerika schicken, doch diesen halten gegen den Widerstand des Vaters die Liebe und die Angst vor dem Tod zurück. Alle bekannten Themen aus der irischen Geschichte wie Armut, Bürgerkrieg, Auswanderung, Katholizismus und Englandhass werden in sehr intensiven und wahrhaftig wirkenden Szenen vereint. Und man sieht, vielleicht zum ersten Mal überhaupt im Kino, daß der Pub nicht nur ein Ort ist, wo Männer saufen und singen, sondern als dörflicher Mittelpunkt dient, in dem sich archaisch anmutende Stammessitzungen abspielen.

Auch musikalisch werden nicht die altbekannten Fiedel- und Trinklieder geboten. Der politisch engagierte Singer/Songwriter Andy White ist einer der „angry young men“ jenseits der Pubgemütlichkeit. Der Publikumsrenner, für dessen Lesung man sich möglichst schnell Karten sichern sollte, ist aber der begnadete Übersetzer und Vortragskünstler Harry Rowohlt, der aus Frank McCourts „Die Asche meiner Mutter“ lesen wird. Aber wenn es spät wird, landet er bestimmt wieder bei Flann O'Brien. Heute abend um 19 Uhr wird das Festival mit der Ausstellung des Fotokünstlers Victor Sloan eröffnet. Um 20.30 Uhr liest der Romanautor Glenn Patterson. Und zuletzt wird eine Dokumentation über die irische Musikszene mit dem Titel „Cool to be Celtic“ gezeigt.

Wilfried Hippen

Vom 16. bis 23. Juni im Kino 46. Termine (+ Kurzkritiken der Filme) stehen morgen in der Kinotaz und können dem Tageskalender entnommen werden