Kommentar
: Rote Karte

■ Senat verspielt Sanierung des Olympiastadions

Es gehört vielleicht zur Ironie der Geschichte, daß sich in Zeiten des fußballerischen Triumphs zukünftige Niederlagen abzeichnen. Da kickt die alte Dame Hertha in der Champions League, und der europäische Fußballverband moniert die harten Sitzbänke im Olympiastadion als „Uefa-untauglich“. Die Schreckensvision, im fernen Hannover gegen andere Mannschaften antreten zu müssen, ist damit Wirklichkeit. Nicht viel besser kann es den Spree-Tifosi ergehen, wenn im Sommer 2006 der Fußball weltmeisterlich über den Rasen rollt. Auf Schalke, in München, Leipzig oder in Hamburg wird gespielt. Aber in der maroden Olympia-Arena grasen die Kaninchen vor leeren Rängen, weil das Stadion weder durch neue Tribünen, Schalensitze, noch ein neues Dach „WM-tauglich“ daherkommt.

Im Sanierungsspiel um das Olympiastadion haben die Uefa und der Senat rote Karten verdient. Seit Jahren ist offenkundig, daß die Arena von 1936 vor sich hin bröckelt. Zum Schutz der Bausubstanz und der Zuschauer wurden notdürftig Stahlträger installiert, damit das marode Stadion nicht zusammenfällt. Klar ist auch, daß sich privatwirtschaftliche Konzepte derart großer Sportstätten für Investoren nicht rechnen. Sowohl Hamburg als auch Frankfurt am Main, die gerade ihre Stadien erneuern, bieten dafür ein Beispiel. Beide Städte finanzieren ihre Stadien weitgehend aus Mitteln der öffentlichen Hand – mit dem Erfolg, daß diese den europäischen Anforderungen im Fußballgeschäft genügen.

Mit dem Ende des Investorenauswahlverfahrens zur Sanierung des Olympiastadions ist das Land nun da angelangt, wo es sich bereits vor Jahren befand. Nämlich wieder am Anfang des Procederes. Zwar hofft Bausenator Jürgen Klemann noch auf ein Wunder, ein paar Konsortien seien verrückt genug, Millionen zu spendieren. Allein uns fehlt der Glaube. Und schlimmer noch. Findet sich kein Geldgeber in den kommenden Wochen, muß sich Berlin von der Bewerbung für die WM 2006 verabschieden. Eine Chance bleibt noch. Sie ist das Eingeständnis politischer Irrwege und der Mut zum Risiko: Die Stadt muß, wenn sie es will, die Modernisierung selbst bezahlen. Rolf Lautenschläger