Schlagloch
: Das kleine Frontbeobachter-ABC

■ Von Friedrich Küppersbusch

„Ich hasse Pressekonferenzen; zum Schweigen fehlen mir immer die richtigen Worte.“ Aleksandar Ristic, Fußballtrainer.

Arnett, Peter. Reporterlegende vom US-Nachrichtensender CNN. Löste zuletzt eine Vertrauenskrise aus, als er einer fehlerhaften Reportage den Anhauch der Seriosität seines Namens verlieh. CNN warf ihn raus. Ruhm erwarb Arnett zuvor, als er im Golfkrieg ausharrte und für Wochen das Monopol an Bildern aus Bagdad innehatte. Kritiker warfen ihm vor, für das Bleiberecht Saddam Hussein den nützlichen Idioten zu machen. Arnett und CNN hielten es für ein Gegenargument, daß selbst Präsident Bush Entscheidungen mit Arnett-Reportagen begründete. Wichtige Erklärungen, aber auch Angriffsaktionen sollen sich nach Meinung von US-Kommentatoren schon damals nach CNN-Sendezeiten gerichtet haben.

Berufsrisiko. Sammelbegriff für Selbsttötungstendenzen, Konkurrenzdruck, Abenteuerlust oder auch schlichte Unglücksfälle. Legendär jenes journalistische „Frontschwein“, das beim Heimatbesuch auf dem Weg von seinem Sender durch die Fußgängerzone zu McDonald's durch verschmierte Frontweste, Springerstiefel und gebückten Gang mit Blick auf die umliegenden Dächer auffiel. Psychologen erklären die Sucht nach Kriegsschauplätzen mit dem Defekt, das eigene Leben nur noch zu spüren, wenn es unmittelbar bedroht scheint. Diese Art Reporter tun für den Frieden so viel wie Michael Schumacher für die Verkehrssicherheit.

Christiansen. Bekommt die besten Gäste und stört dann nicht weiter.

DigiCam. Kleine, für den Amateur sicher zu bedienende digitale Kamera, die auf Beta-Format Bilder von leidlich sendefähiger Qualität aufzeichnet. Mit der Digi dreht der Reporter notfalls alleine.

Ethos. Tarnbegriff für entweder a) „Wir sind schneller als die Konkurrenz“ oder b) „Wir sind seriöser als die Konkurrenz“.

Footage. Ungeschnittenes Rohmaterial, „wie es aus der Kamera kommt“. Viele Redaktionen bevorzugen es, um in Schnitt und Vertonung dem Beitrag die sendungstypische Handschrift einzuprägen. Für die Zuschauer kann es bedeuten, daß die Nachbearbeitung den tatsächlichen Inhalt beeinträchtigt oder ganz verdreht. „Footage“ nennen Pressestellen, PR-Agenturen oder Behörden auch Material, das sie kostenlos zur Verfügung stellen. Ein PR-Film der Telekom über die „Datenautobahn“, eine teure digitale Animation, kam so in alle namhaften deutschen Nachrichtensendungen. Das gleiche Geld in einen Werbespot investiert wäre ein schlechteres Risiko gewesen. In diesem Sinne „footage“ sind auch alle Materialien, die von militärischen Stellen oder Rüstungsherstellern zur Verfügung gestellt werden. Gleichwohl verzichteten die Sender im Kosovo-Krieg weitgehend darauf, „footage“ als ungeprüftes Fremdmaterial auszuweisen.

Greenpeace. Ökologisch gesinnte PR-Agentur. Daß Reporter etwa vom SPD-Parteitag verkündeten, sie seien gerade auf dem SPD-Ü-Wagen und hätten tolles Material aus der SPD-Kamera, wäre ein Skandal. Bei Live-Schalten etwa auf ein Greenpeace-Schiff gilt die nämliche Sensibilität bisher nicht.

Helicam. Bis zu 500.000 Mark teure Hubschrauberkamera. Kann „aus 800 Metern ein Fünfmarkstück bildfüllend zeigen“, wie Fans der in Deutschland relativ neuen Technik loben. Hier verfügen Pro 7 und RTL über entsprechendes Gerät; in den USA jeder bessere Stadtsender. Die Jagd auf O. J. Simpson wäre ohne Helicams nicht publikumswirksam abzufilmen gewesen.

Infotainment. Schwammiger Kunstbegriff für Besserwisser; wer eine Information beibringt, die nicht zwangsläufig auch unterhaltende Wirkung hat, darf den Begriff verwenden. Also keiner.

Jugoslawien. Auch auf Einwirkung vor allem der deutschen Außenpolitik (Genscher, Kinkel, Fischer) in der Sezession bestärkter, ehemaliger Bundesstaat; dadurch sicherer Themenlieferant auf unabsehbare Zeit.

Korrespondent. Traumjob und in öffentlich-rechtlichen Sendern klassische Karrierestation für Spitzenjobs an der Heimatfront. Korrespondenten in Washington oder Moskau dürfen sich steter Präsenz in der Prime time sicher sein. Berichterstatter aus Schwarzafrika oder Asien dagegen betteln um Sendeminuten in den raren Auslandsmagazinen. Nach einer Faustformel des Journalisten und Cap-Anamur-Gründers Rupert Neudeck reicht das Interesse der westlichen Öffentlichkeit nur „bis zum letzten Hotel und von da eine Halbtagesfahrt mit dem Jeep“. Weiter entfernte Katastrophen erwirken weder Sendezeit noch Spendenaktionen oder Kampfeinsätze. Aus Kostengründen konzentrieren Privatsender ihr Korrespondentennetz auf die „sicheren“ Plätze und kaufen den Rest bei Bedarf von Freelancern oder Agenturen an.

Larry King. US-Interviewer mit täglicher Sendung auf CNN. Hosenträger, Kastenbrille, sehr kurze, präzise, unerschrockene Fragen, in siebter Ehe verheiratet. In Deutschland unverständlicherweise noch immer unbesetztes Rollenfach.

Manual. Vor allem bei US-Sendern obligates Pflichtenbuch für alle Mitarbeiter; regelt Krawattenpflicht und Dekolleté-Fragen ebenso wie journalistische Standards. In der Regel verpflichten die Sender ihre Redaktionen, Archivmaterial (“file“), Gemeinschaftsmaterial (“pool“), PR-Filme (“paid-for-advertisement“) oder Aufzeichnungen (“recorded earlier“) für den Zuschauer als solche kenntlich zu machen.

News. Eingedeutschtes Wort; das ursprünglich gemeinte „Neuigkeit“ heißt heute „breaking news“.

O oder auch Dreieck, Viereck, Zinken. Zensur- und Freigabezeichen in Filmmaterial, meist im oberen rechten Bildeck. Mit Aufkommen der Magnetbänder unüblich geworden.

Pool-Material. Harmlos, wenn „pool“ bedeutet, daß sich mehrere Sender aus ökonomischen Gründen aus dem Material nur eines Kamerteams vor Ort bedienen. Kriminell, wenn z. B. Militärs entscheiden, wer in den „pool“ darf oder wer dort nur kaufen darf. Letztere Redaktionen verzichten gern auf den Hinweis, angekauftes Material auszustrahlen, da dies ihr Renommee schmälern könnte. Damit allerdings wird tendenziöses Material von interessierter Seite als scheinbar exklusiv verkauft. Quote. Gerüchteweise schreibt CNN nur in Kriegen schwarze Zahlen, was der Sender allerdings bestreitet. Als Faustformel läßt sich auch das deutsche Publikumsinteresse am Kosovo-Krieg zusammenfassen in „Je länger, desto weniger“.

Restlichtverstärker. Sonderausstattung an Kameras. Normalgeräte verfügen über Restlichtverstärker, die Dunkelheit in erkennbar grobkörnige Dämmerungen aufpumpen. Spezialgeräte mit höherer Verstärkerleistung verfärben phosphorn. Unsere Kinder werden Kühe lila und Krieg grün beschreiben.

SNG. Eigentlich Satellite News Gathering. Teure, aber führende Technik, die den Reporter von allen Leitungen und Kabeln unabhängig macht; er spielt seinen Bericht oder spricht live über einen Satelliten an die Heimatredaktion. Das deutsche n-tv konnte im Kosovo-Krieg die SNGs seines Anteilseigners CNN mit nutzen und gewann so an Vor-Ort-Präsenz; allerdings an Schauplätzen, die CNN vorgab.

Telefon. Nach der Frontregel „Je wichtig, desto egal“ kommt bei „breaking (news)“, also sensationellen neuen Entwicklungen, auch das klassische Reporterfoto mit minderer Tonqualität am Telefon zum Einsatz. Dies funktioniert quotenmäßig nur, solange die Neuigkeit wirklich die technischen Mängel vergessen macht.

Untergrundarmee. Positiv konnotiertes Wort für das, was der Gegner „Terroristen“ nennt.

Vietnam. Schlagwort für a) blutige Bewährung einer ganzen Reportergeneration oder b) die Unmöglichkeit, Krieg zu führen, wenn die Heimat ungefiltert zusehen kann.

Wickert, Ulrich. Beispiel dafür, daß mit dem derzeitigen Spitzenpersonal kein reiner Propagandafunk zu machen wäre. Wickert wäre für das Durchreichen von Sprachregelungen schon deshalb ungeeignet, weil dies seiner gewissen wortschöpferischen Eitelkeit zuwiderliefe.

X-Film oder Tag-X-Film. Vorbereitete TV-Porträts von bedeutenden Zeitgenossen, die für den Tag ihres Todes bereits fertig getextet im Archiv bereitliegen.

Yellow press. Unseriöse Illustriertengeschichten. Gilt als quotensicherste TV-Thematik und heißt dort „Boulevard-Magazin“.

Zahn, Peter von. Deutsche Radio- und Fernsehreporterlegende. Brachte mit seinen „Reportern der Windrose“ die Idee des Auslandsmagazins nach Deutschland; der heute über 80jährige kümmert sich noch stets um die Geschäfte seiner gleichnamigen Firma Windrose. In seinen Memoiren berichtet von Zahn über die britischen Prägung des deutschen Nachkriegsjournalismus. Und über seine eigenen Lehrjahre als Kriegsberichter bei einer NS-Propaganda-Kompanie in Rußland.

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