Rot-grünes Desaster im Osten ...

CDU und PDS sind die haushohen Sieger der Kommunalwahlen im Osten. Die SPD wurde für ihre Bonner Politik der Neuen Mitte abgestraft. Die Grünen rangieren nur noch unter „ferner liefen“  ■   Aus Dresden Nick Reimer

Dringend, so hieß es gestern in der Thüringer SPD-Zentrale, müsse man sich etwas einfallen lassen. Die Genossen hatten vor der Kommunalwahl gern darauf verwiesen, daß es sich beim Urnengang auch um einen Test für die im September anstehende Landtagswahl handele. Dieser Test ging gründlich daneben. Während die CDU im Landesdurchschnitt explosionsartig, die PDS leicht zulegen konnte, büßte die SPD kräftig ein.

Mit dieser Niederlage sind die Thüringer Genossen aber nicht allein. Zwar lagen bei Redaktionsschluß noch nicht alIe Kommunalwahlergebnisse vor. So viel aber sagen die Hochrechnungen aus: Ähnlich wie bei der Europawahl mußten die Sozis zwischen Fichtelberg und Rügen zum Teil gehörig Federn lassen. Das sozialdemokratische Desaster ist mit drei Aspekten zu begründen.

Die Ost-SPD zahlt jetzt den Preis für die Politik der Neuen Mitte. „Landespolitische Aspekte haben keine Rolle gespielt“, sagt Harald Ringstorff, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. Der Wähler habe sich vielmehr an Bonn orientiert. Und dort treffen die Sozis das wiedererstarkte Sozialstaatsempfinden der Ostdeutschen immer weniger. Wie Umfragen zeigen, ist die SPD-Klientel des Ostens besonders über die Innen-, Steuer- und Wirtschaftspolitik verärgert. Der „Stolperstart in Bonn“ habe die Sozialdemokraten im Osten in Mißkredit gebracht, schimpft Sachsen-Anhalts Regierungschef Höppner. „Wir brauchen künftig eine erkennbare, soziale Linie, sonst werden die Parteien noch ununterscheidbarer für die Wähler.“ Auch auf Landesebene ist „die SPD-Politik oft weder Fisch noch Fleisch“, wie Sachsens PDS-Chef Peter Porsch einschätzt. Viele Wähler entscheiden sich dann doch lieber entweder für das Mitte-Original, die CDU, oder aber für die „Kraft aus dem Osten“, die PDS.

Schuld am schlechten Abschneiden der SPD in den Kommunen ist zweitens die geringe Wahlbeteiligung. Während die CDU fast alle ihr zur Bundestagswahl verbliebenen Wähler mobilisieren konnte, verlor die SPD hier jede zweite Stimme. Drittens hat auch der Kosovo-Krieg Stimmen gekostet. Die PDS bediente die überdurchschnittlich starke Ost-Ablehnung der Bombardements am besten, was sich auch an ihrem Ergebnis ablesen läßt.

PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch schrieb in der Berliner Zeitung: „Die Frage der politischen Hegemonie unter den Linken in den neuen Bundesländern ist zwischen PDS und SPD noch nicht entschieden.“ In weiten Teilen Ostdeutschlands sprechen die Wahlergebnisse schon eine deutlichere Sprache. So wurden die Sozialdemokraten in Neubrandenburg, Erfurt, Halle oder Schwerin deutlich von den Sozialisten distanziert. In Dresden liegen sie mit gerade noch 13 Prozent 11 Punkte hinter der PDS, in Gera beträgt der Unterschied fast 10 Prozent. Fast in allen ostdeutschen Großstädten ist die SPD nur noch drittstärkste Kraft. Die PDS stellt hingegen in Rostock künftig die stärkste Fraktion. Und selbst in den SPD-Hochburgen Jena und Leipzig ist der Vorsprung zur PDS auf Zehntelstellen geschrumpft. Lediglich in Magdeburg und Chemnitz liegen die Sozialdemokraten noch deutlich vor der PDS.

Dabei hat die PDS, analysiert ihr Wahlkampfchef Andre Brie, ihre Möglichkeiten noch nicht einmal voll ausgeschöpft. Im Vergleich zur Bundestagswahl verlor die Partei knapp eine Million Wähler. Brie will augenscheinlich mit dieser Einschätzung den Riesenerfolg der CDU – des eigentlichen Wahlsiegers – relativieren. Flächendeckend gewannen die Christdemokraten deutlich. In Schwerin verdoppelten sie etwa ihren Stimmenanteil auf über 30 Prozent, in Chemnitz legten sie 6,4 Prozent zu und wurden stärkste Kraft. In Dresden kam die CDU mit einem Plus von über 8 Punkten (42,8 Prozent) auf fast das doppelte der PDS-Stimmen. Selbst in der PDS-Hochburg Hoyerswerda verwiesen die Christdemokraten mit einem Zuwachs von fast 9 Prozent die Sozialisten nur auf Rang zwei.

Auch die Bündnisgrünen machte für den „katastrophalen Einbruch“ (Sachsens Landessprecherin Cornelia Müller) bundespolitische Gründe verantwortlich. Man sei für das schlechte Erscheinungsbild der Regierung abgestraft worden, hieß es in Dresden. Jetzt räche sich, daß der Osten im Bundeskabinett personell von den Grünen gar nicht vertreten wird, sagte Thüringens Landessprecher Olaf Möller. Besonders kritisierte er die Leistung von Umweltminister Jürgen Trittin. Heidrun Heidecke, die frühere Umweltministerin Sachsen-Anhalts, hätte das Ressort besser führen können, so Möller. In Thüringen und Sachsen-Anhalt kamen die Grünen auf gerade mal 2,5 Prozent.

Baden gingen auch die rechtsextremen Parteien. Selbst in ihren vermeintlichen Hochburgen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg spielen sie auf kommunaler Ebene auch künftig keinerlei Rolle.