EU-Frauen ohne Rat

■ Frauenpolitisch ist der neue EU-Vertrag prima – aber wer setzt ihn um?

Berlin (taz) – „Das Pfund liegt auf dem Tisch“, sagt die deutsche Frauenministerin Christine Bergmann mit dem ihr eigenen Hang zu schrägen Bildern. Nun muß man also nur noch damit wuchern.

Das Pfund, über das die europäischen FrauenministerInnen die vergangenen zwei Tage konferierten, das ist der Amsterdamer EU-Vertrag, der am ersten Mai in Kraft getreten ist. Wuchern könnte man beispielsweise mit dem neu verankerten Grundsatz in Artikel 3, Absatz 2. Dort verpflichtet sich die EU, bei allen Aktivitäten auf die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern hinzuwirken. Ebenfalls festgeschrieben ist die Pflicht, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu bekämpfen. Im sozialpolitischen Kapitel werden „spezifische Vergünstigungen“ für das benachteiligte Geschlecht ausdrücklich gebilligt. Das bedeutet ein Ende der Zitterpartien bei EuGH-Klagen gegen Frauenquoten. „Weiche“ Quoten mit Härtefallklauseln für Männer, wie die in Nordrhein-Westfalen, sind nun abgesichert.

Das kleine Problem: Es gibt keine Institution, die die Einhaltung solcher Vorschriften im Auge behalten könnte. Das berühmte „Mainstreaming“, die Überprüfung aller EU-Tätigkeiten nach ihren Auswirkungen auf Männer und Frauen, ist zwar festgeschrieben. Doch nun müßten Untersuchungsverfahren entwickelt werden, denn die frauenpolitisch blinden Flecken der Programme stechen naturgemäß nicht von allein ins Auge.

Nicht nur ein Institut für solche Untersuchungen wünschen die Ministerinnen, sondern vor allem einen beschlußfähigen Rat: „Wir brauchen ein Gremium, das Richtlinien und Programme verabschieden, Beschlüsse und Resolutionen fassen kann“, forderte Ministerin Bergmann gestern. Allerdings steht einem formellen FrauenministerInnenrat oder einer Kommissarin für Frauen entgegen, daß im Zuge der Agenda 2000 Räte und Kommission eher verschlankt werden sollen. Ein Programm gegen Gewalt an Frauen konnten die FrauenministerInnen nur mit Mühe vom Rat für Jugendpolitik verabschieden lassen.

Unter der finnischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte sollen nun als Hilfskonstruktion sogenannte „Teilräte“ entwickelt werden, institutionalisierte Arbeitsgruppen von Ministerräten, denen auf den Ratstreffen Zeit eingeräumt wird. Teilzeitwuchern sozusagen. Heide Oestreich