UÇK behält den Finger am Abzug

■  Schwieriges Nebeneinander von Bundeswehr und Kosovo-Befreiungsarmee. Nato fürchtet „weitere Konflikte“. UÇK-Führer: Wir sind „reguläre Armee“

Berlin (taz) – Mehrere hundert selbstbewußte Kämpfer der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK bereiten der Bundeswehr in Prizren heftiges Kopfzerbrechen. Das Bestreben der UÇK, als bewaffnete Polizeitruppe in der südkosovarischen Stadt Kontrollfunktionen auszuüben, Verhöre durchzuführen und sich als Parallelmacht zur Bundeswehr zu etablieren, entspricht nicht ganz den Erwartungen der deutschen KFOR-Truppen. Gleichzeitig provozierten Äußerungen führender UÇK-Politiker, nicht an die internationalen Abkommen zum Kosovo gebunden zu sein, Widerspruch bei der Nato.

In Prizren behauptete der UÇK-Führer Rexha Ekrem, die Stadt sei „zu fast hundert Prozent“ unter der Kontrolle der UÇK und der KFOR. Die UÇK-Kämpfer hätten sich im ehemaligen Hauptquartier der jugoslawischen Armee niedergelassen. Dem widersprach die Bundeswehr. „Sie zeigen ihre Waffen, ihre Fahnen, aber wir kontrollieren die Stadt“, sagte der Pressesprecher der Bundeswehr in Prizren, Dietmar Jeserich. Doch war eine zunehmende Präsenz bewaffneter UÇK-Kräfte in der Stadt offensichtlich. Selbst innerhalb des Bundeswehrgeländes zeigten sich bewaffnete Kämpfer, berichtete dpa. Die Bundeswehr betonte jedoch, daß die UÇK keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen würde. Nato-Sprecher Jamie Shea betonte in Brüssel, die Nato werde auf einer „Entmilitarisierung“ der UÇK bestehen.

UÇK-Premierminister Hashim Thaci hatte zuvor in der kosovo-albanischen Zeitung Koha Ditore den Standpunkt vertreten, seine Organisation gehöre als „reguläre Armee“ nicht zu den im Friedensabkommen aufgeführten militärischen und paramilitärischen Gruppen, die zu entwaffnen seien. Ein anderer UÇK-Mann sagte der Financial Times, die UÇK wolle die Armee eines unabhängigen Staates Kosovo werden.

Schon am Montag mußten deutsche Soldaten mehrere UÇK-Kämpfer entwaffnen, die im Krankenhaus der Stadt verwundete serbische Soldaten festnehmen wollten. In der Nacht zum Dienstag nahmen britische KFOR-Soldaten in Pritina fünf mutmaßliche UÇK-Kämpfer in einem Haus fest, in dem ein Serbe getötet worden sei.

Jugoslawische Armee und serbische Polizei hatten bis gestern abend Zeit, um das südliche Drittel des Kosovo zu räumen. Der Abzug gehe zügig voran, bestätigten britische KFOR-Offiziere.

Trotz der Gefahren durch Minen haben sich gestern mehr als 2.000 Kosovaren auf den Weg in ihre Heimat gemacht. Am makedonischen Grenzposten Blace wurde ein heimkehrender Albaner durch eine Mine getötet. Deutsche Soldaten und Kämpfer der UÇK, die die Flüchtlinge wegen der noch immer bestehenden Gefahren an der Rückkehr hindern sollten, räumten in den frühen Morgenstunden am albanischen Grenzübergang Morina die Barrieren von der Straße. Aus dem Kosovo sind in den letzten Tagen 37.000 serbische Zivilisten geflohen. Stefan Schaaf