Für Mütter und Töchter

Mit auf Alterslosigkeit getrimmten Songs stecken Boyzone in England sogar die Backstreet Boys in die Tasche  ■ Von Felix Bayer

Die Töchter hängen sich Poster an die Wand und ihre Mütter hören die Musik.“ Diese These war kürzlich in einem britischen Branchenblatt über Boyzone zu lesen und sie ist ein sehr gutes Erklärungsmodell für den dauerhaften Erfolg der irischen Boygroup. Zumindest in Großbritannien stecken sie sogar die Backstreet Boys locker in die Tasche. Ihr gerade erschienenes Best-of-Album By Request wurde dort in der ersten Woche 329.000 mal verkauft, das ist mehr als die Verkäufe der restlichen Top 20 zusammen.

Dabei schienen die Voraussetzungen für einen bleibenden Erfolg denkbar schlecht, als im November 1994 die erste Single von Boyzone, „Love Me For A Reason“ erschien. Fast jede große Plattenfirma warf zu dieser Zeit eine Boygroup-Marke auf den umkämpften Teenager-Markt, zudem gelangte das große Vorbild Take That mit dem großartigen „Back For Good“ bald darauf auf dem Zenit ihrer Karriere an. So unterschieden sich Boyzone anfangs weder in den Chartplazierungen noch im Stil besonders von heute fast vergessenen Gruppen wie Caught In The Act oder Worlds Apart. Und natürlich hatten auch Boyzone ihre größten Hits mit Coverversionen wie „Father & Son“ von Cat Stevens oder „Words“ von den unvermeidlichen Bee Gees.

Doch die Auflösung von Take That war der Glücksfall, den ihre Karriere brauchte. Während in Deutschland die Backstreet BoysTake Thats Platz in den Teenie-Zeitschriften einnahmen, waren es in Großbritannien eben vor allem Boyzone, die hierzulande zwar auch bekannter wurden, aber immer in der zweiten Liga spielten. Mit Ronan Keatings Moderation des Grand Prix Eurovision 1997 begann der entscheidende Schachzug, der Boyzones größten Mangel in der Boygroup-Konkurrenz ausgleichen sollte: Während alle Welt nicht nur die Namen der Take That-Jungs aufsagen konnte, sondern ihnen sogar Charakterzüge zuordnen konnte (was die Spice Girls als Strategie von Anfang an einsetzten), blieben neben dem offensichtlichen Chef Ronan Keating die vier anderen von Boyzone völlig blaß. Oder könnten Sie den Gesichtern auf dem nebenstehenden Foto die Namen Stephen Gately, Keith Duffy, Shane Lynch oder Mikey Graham zuordnen?

Also ließ man Ronan sich zur Entertainment-Persönlichkeit für alle Alterklassen emanzipieren. Er moderierte im BBC-Fernsehen eine Talentshow, produzierte mit Westlife sehr erfolgreich Boygroup-Nachwuchs und bringt demnächst mit „When You Say No-thing“ seine erste Solosingle heraus. Doch die ist auch auf dem jetzigen Boyzone-Best-of-Album zu hören, denn der Markennamen soll unter allen Umständen bewahrt werden. Und die anderen vier scheinen das mit sich machen zu lassen, Ausbruchsambitionen wie einst bei Robbie Williams deuten sich nicht mal an.

Zugleich wird auch die Musik auf Alterslosigkeit getrimmt. Für die bisher erfolgreichste Single, „No Matter What“, bildeten mit dem Musicalmillionär Andrew Lloyd Webber und dem Schlockspezialisten Jim Steinman (Meat Loaf) zwei der Routiniertesten im Musikgeschäft das Songwriting-Team. Und überhaupt setzen Boyzone inzwischen fast ausschließlich auf Balladen. Daß das auch gut so ist, war kürzlich zu hören, als die Iren mit dem Billy-Ocean-Cover „When The Going Gets Tough“ im Backstreet-Boys-Terrain wilderten. Aber diese groteske Single war „für einen guten Zweck“, und weil Benefizplatten sich immer verkaufen, wurde auch sie in England zum Nummer-1-Hit.

Von allem bereinigt, was Boygroup-Pop in seiner euphorisierenden Wirkung auch für ältere Pop-Genießer manchmal faszinierend macht, haben Boyzone schon jetzt den Weg ins Phil-Collins-Land der Lieblinge der Radioprogrammierer geschafft. Daß sie dabei ihr Teenie-Publikum nicht komplett verloren haben, macht ihre Karriere zu einer seltenen Erfolgsgeschichte im Pop-Marketing. Doch das reicht Ronan Keating noch lange nicht: Der Zeitschrift OK! verriet er, daß er eines Tages irischer Präsident werden wolle. War dieses Amt nicht schon für Bono Vox reserviert?

mit Leilani, Christian Fry, West-life: Mi, 23. Juni, 19 Uhr, Sporthalle