Schulfrieden? „Wir haben uns geeinigt“

■ Interview mit Ulrike Hövelmann, bildungspolitische Sprecherin der SPD, über den Koalitionskompromiß Bildung

taz : Die Vereinbarungen zur Bildungspolitik sind naturgemäß sehr allgemein in den Formulierungen, und es kommt dann darauf an, wer der zuständige Fachsenator oder die Senatorin wird. Wäre Willi Lemke für das Bildungsressort eine gute Wahl?

Ulrike Hövelmann: In den spekulativen Bereich möchte ich mich nicht begeben. Es ist wichtig, was in den Koalitionsvereinbarungen drinsteht, und was nicht drinsteht.

Das heißt: Es könnte auch ein CDU-Senator kommen.

Ich würde das Bildungsressort nicht freiwillig an die CDU geben.

Der Juso-Landessprecher und zukünftige Bürgerschaftsabgeordnete Martin Günthner hat gesagt, die Schwarzen hätten sich durchgesetzt in der Bildungspoltik. Wenn zum Beispiel die äußere Leistungsdifferenzierung in der Orientierungsstufe möglich sei, bedeute das schon den Ausstieg aus der OS.

So sehr ich den Genossen Günthner schätze – das ist richtig falsch. Wir haben die innere wie äußere Differenzierung in der OS vereinbart. Dazu gibt es ja schon einen Schulversuch, den wir auswerten müssen. Ich bin der Meinung, daß im Rahmen der OS inhaltlich durchaus etwas passieren muß.

Äußere Differenzierung heißt doch: Wenn die Schulkonferenz das beschließt, wird es Gy- und HR-Klassen geben.

Nein. Ersteinmal muß es die Schulkonferenz beschließen, in den Schulen muß es eine inhaltliche Diskussion geben. Das halte ich für richtig. Differenzierung bedeutet nicht gleich eine Einteilung in A, B- und C-Kurse. Es kann auch eine Differenzierung in einzelnen Unterrichtsfächern geben, und die Frage ist, wie die Durchlässigkeit gestaltet wird. Ich bin natürlich eine Anhängerin der inneren Differenzierung.

Aber das kann jede Schule für sich beschließen.

Ja, und ich habe da keine Sorge. Ich in sicher, daß sich damit insgesamt die Qualität der OS verbessern wird.

Es gibt einen Modellversuch für ein Abitur nach 12 Jahren, wenn auch nicht am Alten Gymnasium, sondern am Kippenberg.

Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode bereits gemeinsam einen Modellversuch geplant. Es hat sich aber keine Schule gefunden, die das machen wollte ...

Das AG wollte.

Ja, allerdiungs wollten die ab Klasse 5 Gymnasium machen, weil sie keine Orientierungsstufe haben. In Rheinland-Pfalz, das ist ein sozialdemokratisch geführtes Bundesland, ist das Abitur nach 12 Jahren flächendeckend möglich. Das gibt die Möglichkeit, die Schulzeit zu verkürzen.

Man kann den Lehrplan in relevanten Teilen so ausmisten?

Das „Ausmisten“ von Lehrplänen halte ich laufend für notwendig.

Hat sich damit eine CDU-Forderung durchgesetzt oder ist das etwas, das die SPD-Bildungspolitikerin Hövelmann sinnvoll findet?

Wir haben uns geeinigt.

Hätte die SPD das auch gemacht, wenn sie die absolute Mehrheit gewonnen hätte?

Wir haben die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur so intensiv nicht diskutiert.

Zum Zankapfel Gymnasien steht in den Koalitionsvereinbarungen gar nichts drin.

Richtig.

Hat die CDU nicht verlangt, daß es zusätzliche Gymnasien gibt, und kleine Gy-Abteilungen an den Sek-I-Zentren geschlossen werden?

Die CDU hätte gerne zwei weitere durchgängige Gymnasien in der Stadtgemeinde Bremen gehabt.

Und?

Wir haben uns anders geeinigt.

Das Bremer Bündnis für Arbeit erzielt keine Fortschritte, sagt der zukünftige Abgeordnete Günthner, für Auszubildende steht in den aktuellen Koalitions-Vereinbarungen nichts drin.

Ich werde ihm das gerne erläutern. Wir werden ein Landesprogramm für den regionalen Berufsdialog machen. Der Bereich berufliche Bildung nimmt den größten Teil des Bildungs-Abschnittes ein.

Aber alles sehr allgemein.

Sehr konkret steht die hochwertige Ausstattung des Berufsbildungszentrums Mitte drin, das die Schule Holterfeld ersetzen wird.

Mit dem Verkauf des Schulzentrums am Holterfeld hat die Bildungssenatorin strukturelle Haushaltslöcher gestopft. Auch in Zukunft fehlen jährlich 13 Millionen Mark.

Im Finanzrahmen soll durch eine Eckwerte-Anpassung eine den anderen Ressorts vergleichbare Ausgangssituation geschaffen werden, steht in dem Koalitionspapier.

Wieder einer der Sätze, die niemand versteht.

Es ist damit anerkannt, daß das strukturelle Defizit durch eine Anhebung der Eckwerte ausgeglichen werden muß. Das passiert in den Haushaltsberatungen im September. Int.: K.W.