Lokale Agenda kriselt nachhaltig

■ Die Umweltschützer der Agenda 21 erleben am Runden Tisch die Krise ohne Ausweg: Jetzt drohen auch Vertreter vom Bremer Umweltforum mit Austritt, sobald das Hollerland bebaut wird

Es kriselt bei der Agenda 21. Die Akteure für die Nachhaltigkeit verlieren die Lust. Peter Möller vom Bremer Umwelt Forum (BUFo) droht mit Austritt, sobald das Hollerland bebaut wird. Der Naturschutzbund (Nabu) hat diesen Schritt schon vollzogen. Kurz vor der Bürgerschaftswahl erklärte Geschäftsführer Sönke Hofman: „Die Schmerzgrenze war erreicht.“ Fürs Nord-Süd Forum sagt Gertraud Gauer-Süß: „Wir überlegen, wo und wie wir weiter mitarbeiten können.“ Alle drei klagen über geringe politische Realisierungchancen der Agenda-Grundsätze, nach denen sich Bürger seit der Umweltkonferenz von Rio 92 für nachhaltige Entwicklung einsetzen sollen.

Bei den Kritikern ist die Stimmung gewaltig im Keller. Im Gegenzug ärgert sich Rita Kellner-Stoll, Geschäftsführerin der Agenda 21 und Abteilungsleiterin im Umweltressort, über den Nabu-Ausstieg – wegen der „marktschreierischen“ Unmutsbekundung und dessen „unsolidarischen Rundumschlag“. Aber auch sie räumt ein: „Erwartung, Hoffnung und Realität prallen im Augenblick krass aufeinander.“

Die Probleme, die viele Aktive sehen, sind vielfältig und manchmal hausgemacht: So hat die Agenda keinen Gesetzescharakter. „Eine gut gemeinte Absichtserklärung“, sagt Nord-Süd-Propagandistin Gertraud Gauer-Süß. Vorschläge aus den Arbeitsgruppen werden „nicht ernstgenommen“, klagt Umweltschützer Möller. Hofmann (Nabu) sagt: „Reine Laberrunden, in denen nur Luft umgeschaufelt wird.“ Oft sei das Nachhaltigkeitspostulat von der Politik konterkariert worden: Denen ginge es nur um den „Imagefaktor“ für Bremen, klagt Möller. Im Fall Hollerland wirft er Scherf Wortbruch vor.

Viele Agenda-Leute halten es außerdem für einen Fehler, daß die Agenda in die Verwaltung eingebunden wurde. „Man muß enorm viel Geduld mitbringen“, bestätigt Geschäftsführerin Kellner-Stoll. Verwaltungsleute könnten sich nicht wirklich gegen den Senat stellen, sondern seien an dessen Entscheidungen gebunden. Überaus kompliziert sei die Antragstellung mit zahlreichen Verwendungsnachweisen, sagt Hofman. „Wenn man kein Antragfuchs ist, macht man eine Bauchlandung.“ Kellner-Stoll gibt zu: „Da ist Umdenken in der Verwaltung angesagt.“

Den Ausstieg des Nabu kann Kellner-Stoll noch gut verschmerzen: Am Runden Tisch sei die Umweltorganisation nur indirekt beteiligt gewesen. Auch in den Arbeitsgruppen „sind die nicht als Aktivisten aufgefalllen“. Der BUFo dagegen vertritt am Runden Tisch zwanzig Bremer Umweltinitiativen, darunter die ,großen' wie BUND, WWF und Robin Wood. Am vergangenen Donnerstag hat das BUFo noch einmal einen Beschluß vom Oktober letzten Jahres bestätigt: „Wird das Hollerland bebaut, erklären wir die Agenda für gescheitert.“ Kellner-Stoll fürchtet: Der Ausstieg der zwanzig Umweltinitiativen würde „spürbar“. Auch für Gauer-Süß wäre das bedauerlich: „Wenn die Umweltgruppen aussteigen, fehlt ein ganz wesentlicher Teil von dem was Agenda eigentlich ausmacht.“

Für Gauer-Süß und Kellner-Stoll ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, „neu zu sortieren, zu überdenken was in den vergangenen drei Jahren gelaufen ist“. Kellner-Stoll sieht darin „notwendige und heilsame Diskussionen“, die auch große Chancen bergen. Negativ denkt sie nicht: „In vielen Städten gelingt es nicht, so einen Diskussionsprozeß in Gang zu bringen.“ pipe