Fiese Surf-Vergnügen

■ Wenn das drohende Grauen ausbleibt: Die norwegischen Euro Boys im Knaack-Club

Hört man die Euro Boys, könnte man fast glauben, die Siebziger waren tatsächlich das glamouröse Spaßjahrzehnt, als das es uns verkauft werden soll, nachdem wir jahrelang fest davon überzeugt waren, daß damals nur die dumpfeste aller denkbaren Musiken gespielt worden ist. Aber nachdem Disco, Schmock- und Glitter-Rock allesamt ihre Rehabilitation erfahren haben, ist es nun an der Zeit, all das in einer einzigen Formel griffig zusammenzufassen.

Und wer sollte für eine solche herkulische Aufgabe besser geeignet sein als ein skandinavisches Quintett? Traditionell ist man dort oben im Norden hemmungslos, was den Umgang mit Vorbildern angeht. Wozu eigenen Kram erfinden, wenn man den von fremden Leuten respektlos behandeln kann? Einschlägige Erfahrungen konnten die Mitglieder der Euro Boys zuvor bei bekannten norwegischen Rip-off-Künstlern wie Gluecifer und Turbonegro sammeln. Also drohten die Euro Boys in Interviews mit Hendrix und sogar Santana und legten los.

Manches ihrer Instrumentals beginnt ganz verhalten und wiegt sein Opfer erst mal mit lockenden Easy-Listening-Klängen und lustigen, wie selbst ausgetüfelten, Soundeffekten in Sicherheit. Und hört dann einfach auf. Kann aber auch sein, daß ein pumpender Disco-Bass vom noch kommenden Unheil kündet. Langsam, aber sicher steigert sich dann das Grauen wie in einem guten Horrorfilm. Kurz vor einem furiosen Finale wird aus so manchem harmlosen Surf-Vergnügen ein fieses Stück psychedelischer Rock mit einer hemmungslosen Schweineorgel.

„Tonight's the night and we wanna get high“, heißt es an einer der wenigen Stellen, wo doch mal gesungen wird, und wem das geklaut oder beknackt vorkommt, hat sowieso recht. Wieder andere Songs dümpeln ihr ganzes Leben mehr oder weniger unbeteiligt vor sich hin und werden halt so weggehört, selbst wenn mittendrin ein ellenlanges Schweinegitarrensolo stattfindet. Dann klingen die Euro Boys so, als hätten Gert Wilden und Peter Thomas einer Hardrockband Daumenschrauben angelegt.

Eben sowas, Hardrock, Metal oder Punk, hätte man bei der Vergangenheit einiger Mitglieder erwartet. Nun aber scheint die Vergangenheit nur mehr wie eine längst verblaßte Folie durch die Musik der Euro Boys, die in ihrer norwegischen Heimat als Kare & the Cavemen bekannt sind und als Coverband mit Surf-Klassikern begannen. Manche Melodie und manches Solo möchten noch aus härteren Gefilden stammen, der Songaufbau, die ganze Struktur aber scheint adaptiert aus der elektronischen Musik. Harte Jungs üben sich in sensibler Weicheiermusik. Prinzipiell findet eher ein Teppichverlegen als ein Hauseinreißen statt. Also: Packt die Nietenlederjacke ein und das Cocktailkleidchen aus!

Thomas Winkler

Heute, ab 21 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Str. 221, Prenzlauer Berg