„Punkt. Aus. Ende.“

■  Olaf Möller, Landessprecher der Grünen in Thüringen, sieht den Osten schon bald „grünenfrei“. Aus dem Westen komme keine Unterstützung. Nur eine Reaktorkatastrophe könnte noch helfen

taz: Herr Möller, Sie sprechen von einem katastrophalen Wahlergebnis der Grünen bei den Thüringer Kommunalwahlen. Wie katastrophal war es denn?

Olaf Möller: In Thüringen gilt auch bei der Kommunalwahl die Fünfprozenthürde. Von ehemals 53 Abgeordneten in den Kreisparlamenten und kreisfreien Städten blieben ganze sieben übrig – drei in Jena, vier in Weimar. Punkt. Aus. Ende.

Wie erklären Sie diesen Einbruch Ihrer Partei?

Entscheidend war, daß wir unsere Wähler nicht mobilisieren konnten. Von den 60.000, die uns zur Bundestagswahl noch ihre Stimme gaben, sind bloß noch 20.000 übriggeblieben.

Das heißt, daß die grüne Politik in Bonn hier keinen von der Hollywoodschaukel locken konnte?

Dort, wo es eine grüne Verwurzlung in Thüringen gibt, kamen unsere Wähler zur Urne. Wir stellen in Weimar einen ziemlich rührigen Baudezernenten, in Jena einen Sozialdezernenten, der viel fürs Theater und für die Stadtteilkultur macht. Im Rest des Landes nehmen uns die Wähler als die Partei aus dem Westen wahr. Und die hat es nicht geschafft, den Leuten im Osten ein überzeugendes Politikangebot zu machen.

Was lief denn schief in Bonn?

Wenn Grüne fordern, Männer de jure an den Kochtopf zu schikken, erzeugt das im günstigsten Fall ein verständnisloses „Die tikken doch nicht richtig“. Der Kosovo-Krieg hat viele Leute verunsichert. Und ich habe oft gehört: Der Trittin ist euer Tod. Zur grünen Tagespolitik kam oft der Kommentar: Thema verfehlt. Und mir wird immer wieder gesagt: Eure Leute, die haben keine Sensibilität für die Ost-Probleme.

Wo sollte die auch herkommen?

Es war ein großer Fehler, daß Ostdeutsche weder im Kabinett noch in der Fraktion an prominenter Stelle vertreten sind. Man hätte gute Ostdeutsche finden können. Heidrun Heidecke hätte den Job von Trittin garantiert besser gemacht, auf alle Fälle für uns im Osten.

Wie stehen jetzt die Chancen zur Landtagswahl?

Man muß sich nichts vormachen: ziemlich schlecht. Es gab Stimmen, die haben gesagt: Hat keinen Zweck mehr! Laßt uns einen schönen Sommer machen. Nein! Wir werden den Wahlkampf trotz allem mit ganzer Kraft durchziehen, damit wir wenigstens sagen können, wir haben alles gegeben. Wir werden den Leuten sagen: Ihr entscheidet, ob es künftig noch Grüne im Osten gibt.

Was müßte passieren, um optimistischer sein zu können?

Kraß gesagt: Eine Katastrophe in einem Atomkraftwerk oder ein Dioxinskandal in Erfurt. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob letzteres ausreicht.

Geht es nicht vielleicht auch eine Nummer kleiner? Etwa mit Impulsen und Unterstützung von der Bundespartei?

Wir haben an alle an Thüringen grenzenden Landes- und Kreisverbände einen Brief mit Bitte um Wahlkampfunterstützung geschrieben. Der einzige, der geantwortet hat, war der Landesverband Sachsen-Anhalt. Aus dem Westen kam nichts. Hut ab vor Joschka Fischer, er macht seinen Job gut. Im Osten wird Fischer aber mit uns Grünen nicht verknüpft. Es reicht nicht, einen guten Job zu machen, man muß auch vermitteln, daß man diesen Job als Grüner und für den Osten macht. Sicherlich hat er wenig geschlafen im letzten Vierteljahr. Aber er müßte sich bei uns im Wahlkampf auch mal sehen lassen. Anscheinend meint Fischer aber, es geht auch ohne. Vielleicht rechnen sich ja auch einige schon aus: Den Osten brauchen wir nicht. Da pumpen wir nur Geld rein, ohne daß etwas dabei rauskommt. Wir sind doch eine westdeutsche Regionalpartei.

Was bleibt, wenn die Grünen im Herbst scheitern?

Nichts. Die gerade aufgebauten Strukturen werden zerbröckeln. Der Osten wird grünenfrei.

Interview: Nick Reimer