Stoiber-Partei im Höhenrausch

■ Nach ihrem Rekorderfolg bei der Europawahl fühlt sich die CSU mächtig im Aufwind – und träumt wieder vom eigenen Kanzler

Nürnberg (taz) – Da kommt sie wieder, die unvermeidliche Kandidaten-Frage, und die Antwort ist Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber mittlerweile derart zur Routine geworden, daß er dabei nicht einmal seine Strahlemann-Miene verändern muß. Nein, er werde nicht Kanzler werden wollen, da werde er doch „eher Trainer des FC Bayern München“. Eine interessante Idee. Aber erstens ist der Job besetzt und zweitens gar nicht ohne. Es dürfte kaum die Sache des planmäßigen Erfolgsmenschen Stoiber sein, daß etwas, das man über einen langen Zeitraum mühsam aufgebaut hat, kurz vor Schluß in sich zusammenstürzen oder durch einen verschossenen Elfmeter zunichte gemacht werden kann. Stoiber haßt nichts so sehr wie Zufälligkeiten.

Geschmeichelt fühlt sich Stoiber ob solcher Nachfragen aber trotzdem, hat er doch gerade bei den Europawahlen mit 64,0 Prozent einen neuen bayerischen Rekord aufgestellt und die alten Bestmarken der CSU-Vaterfiguren Strauß und Goppel aus den 70er Jahren weit übertroffen. Seit Stoiber Ministerpräsident und Parteichef in einer Person ist, hat er Staatsregierung und Partei konsequent auf sich zugeschnitten. Er besetzte die Staatskanzlei mit seinem Intimus Erwin Huber und baute sie zur unumstrittenen Machtzentrale aus. Das Murren und Grollen in der CSU-Landtagsfraktion, die sich zunehmend überflüssig und übergangen fühlt, ließ Stoiber gelassen an sich abtropfen. Der Europa-Wahlkampf war ganz auf ihn zugeschnitten, die Wahlplakate zeigten ihn, arbeitsam wie immer, hinter dem Schreibtisch sitzend. Sonst nichts.

Natürlich weiß Stoiber auch, daß der Triumph am vergangenen Sonntag viel mit der Unzufriedenheit mit der rot-grünen Bundesregierung und der geringen Wahlbeteiligung zu tun hat. „Das war in jeder Beziehung ein Ausnahmeereignis“, verkündet er, verweist aber darauf, daß die CSU immerhin noch einmal rund 145.000 Stimmen dazugewonnen hat, während für die SPD der Freistaat immer mehr zur Diaspora wird. Nicht einmal eine Million Bayern machten ihr Kreuz bei den Sozis, 21,6 Prozent, so wenige waren es noch nie.

Was Stoiber noch fehlt zu seinem Glück, ist eine gut gefüllte Parteikasse. Der Wahlerfolg bringt zwar 3,3 Millionen Mark an Wahlkampfkostenerstattung, doch angesichts von mehr als 30 Millionen Mark Schulden, die die CSU drükken, ist dies eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Kontinuierlich wuchs das Minus der Partei in den letzten Jahren an, weil man in den Wahlkämpfen der letzten zehn Jahre mit über 140 Millionen Mark wahrliche Materialschlachten im Freistaat inszeniert und damit weit über seine Verhältnisse gelebt hat. Seit das Spendenaufkommen nach der verlorenen Bundestagswahl rapide sinkt, sind nun vor allem die rund 180.000 Mitglieder gefragt. Doch die können die Höhe ihres Beitrags nach einer Selbsteinschätzung ihres Einkommens festlegen und führen zumeist nur den Mindestbetrag von sechs Mark im Monat ab. Jetzt sollen Experten von außen die Finanzen der CSU durchleuchten, denn Stoiber treibt die Angst um, daß seine Partei „nicht mehr kampagnenfähig“ sei.

„Wir werden auf dem Teppich bleiben“, versucht Stoiber denn auch die Euphorie seiner CSU-Parteifreunde etwas zu dämpfen, die bereits vom „Wunder“ sprechen und nach Franz Josef Strauß endlich mal wieder einen CSU-Kanzlerkandidaten sehen wollen. Wer zu früh jubelt oder zu lange feiert, der hat schon verloren, das weiß Edmund Stoiber ganz genau – schließlich ist er Vorsitzender des Verwaltungsbeirats vom FC Bayern München. Bernd Siegler