Neukölln: Ein Bezirk geht in die Offensive

■  Von Volkstänzen bis zum „Konzert der Handys“: Der vom Spiegel als Bronx von Berlin verschriene Bezirk setzt an diesem Wochenende ganz auf Kultur und Stadtteilfeste. Auch Kultursenator Peter Radunski gibt sich solidarisch und spricht sich für eine weitere Förderung der Bezirkskultur aus

Ein Bezirk kämpft gegen sein Image: Neukölln, bundesweit als Bronx von Berlin verschrien, beweist an diesem Wochenende, daß es etwas zu bieten hat – die Kultur. Mit dem Projekt „48 Stunden Neukölln“ präsentiert der Bezirk von Freitag bis Sonntag seine kulturelle Vielfalt.

In 200 Veranstaltungen an 30 verschiedenen Orten wird die ganze Bandbreite kulturellen Lebens vertreten sein: Von Volkstänzen über Kunstausstellungen bis hin zum „Konzert für Handys“. Das Stadtkultur-Festival wird koordiniert vom Kulturnetzwerk Neukölln e. V., an dem zwanzig öffentliche und private Kultureinrichtungen beteiligt sind. Projektkoordinator Jürgen Maier betont, daß für das Wochenende nichts extra aus dem Boden gestampft werden mußte: „Wir wollen zeigen, was wir das ganze Jahr über in Neukölln auf die Beine stellen.“ Das Leben im Bezirk wird wesentlich durch die internationale Bevölkerung geprägt. Die Werkstatt der Kulturen organisiert deshalb im Rahmen von 48 Stunden Neukölln das Multikultifest „Kiez International“.

Zentrum des Geschehens an diesem Wochenende wird die Karl-Marx-Straße sein, wo eine City-Party mit 250 Ständen und buntem Musikprogramm stattfinden wird. Kunst und Kommerz kämpfen hier gemeinsam gegen das Negativimage von Neukölln. Die Arbeitsgemeinschaft Karl-Marx-Straße, ein Zusammenschluß von Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsunternehmen, hat die City-Party organisiert. Die Beteiligung der Händler an 48 Stunden Neukölln verdeutlicht für Dorothea Kolland, Leiterin des Kulturamtes Neukölln, daß man mit Kultur „ein Fünkchen Hoffnung setzen kann“. Die grundsätzliche Situation des Bezirks könne so zwar nicht verändert werden, wohl aber die Meinung der Leute: „Neukölln soll nicht mehr als Bezirk gelten, wo die Leute nur wegziehen.“

Die Neuköllner haben ihr Projekt jedoch nicht nur in Hinblick auf die besondere Situation des Bezirks gestartet. Sie wollen auch ein Signal setzen für die Kulturpolitik: gegen den Trend, kulturelle Großprojekte zu fördern wie die Museumsinsel, während die Stadtteilkulturarbeit verkümmert. Das Signal scheint zumindest angekommen zu sein – zum Pressegespräch über 48 Stunden Neukölln gab sich auch Kultursenator Peter Radunski (CDU) die Ehre. Für ihn ist die wichtigste Botschaft von 48 Stunden Neukölln, daß „die Bezirkskultur anders behandelt werden muß“.

Der Senator und die Organisatoren sind sich einig, daß in der Hauptstadt Kultur nicht nur konsumiert, sondern auch produziert werden sollte. Viele Künstler leben bereits in Neukölln. Aufgrund seiner Spannungen bietet der Bezirk ein interessantes Umfeld. Die Ergebnisse des künstlerischen Schaffens werden in der Regel in anderen Stadtteilen präsentiert. Die Öffentlichkeit hat so bisher wenig über das kreative Neukölln erfahren. Julia Weidenbach