Kommentar
: Verzögert

■ Die Bahn läßt die Katze aus dem Sack

Nun ist es also raus, was schon seit Wochen durch die Gazetten spukte: Die Nachricht, der Lehrter Bahnhof, das entscheidende Verkehrsprojekt der werdenden Metropole gleich neben Kanzler und Parlament, kommt zwei Jahre später als erwartet. Und daß der Tunnel unter dem Tiergarten, an dem das ganze Regierungsviertel hängt wie an einer Nabelschnur, um mehrere hundert Millionen teurer wird als geplant.

Das Vorgehen der Bahn hat offenbar System: Erst wird nichts gesagt, dann sickern langsam die Hiobsbotschaften durch, schließlich wird offiziell bestätigt, was jeder schon weiß: Alles dauert länger und wird teurer als geplant.

Zu leiden haben darunter alle, die mit ihren Planungen von den Fortschritten bei der Bahn abhängig sind: Der Senat etwa mit seinen Projekten unter dem Tiergarten, die Bundesregierung, deren Umzug sich verzögert, und schließlich wir alle, die wegen der ewigen Baustellen schlechter durch die Stadt kommen und die Zusatzkosten auch noch über die Bahntickets schultern müssen.

Hinzu kommt, daß viele Probleme bei der Bahn hausgemacht sind: Sie hat zu viele Geschäftsführer für die großen Projekte in der Hauptstadt innerhalb kurzer Zeit verschlissen – und ob das Riesenprojekt Lehrter Bahnhof überhaupt sinnvoll ist (obwohl es natürlich schön aussieht), darüber kann man trefflich streiten. Wenn die Bahn nicht anfangs wie ein Großmogul aufgetreten wäre, der versprach, alles noch größer, noch schneller und noch prachtvoller zu bauen, vielleicht wäre heute die Enttäuschung weniger groß.

Dennoch: Man sollte der Bahn zugestehen, daß sie mit dem Tiergarten-Tunnel und dem Lehrter Bahnhof zwei Projekte in Angriff genommen hat, die ihresgleichen suchen an Bedeutung und Schwierigkeit. Wenn es dabei teurer wird und langsamer vorangeht als geplant, ist das zwar ärgerlich, aber nicht allzu erstaunlich. Wer auch nur eine Garage selber baut, weiß wie schnell das passieren kann. Deshalb sollte man der Bahn trotz allem Verständnis entgegenbringen – in der Hoffnung, daß in Berlin tatsächlich eines Tages architektonische und ingenieurtechnische Meisterstücke stehen, auf die die Stadt stolz sein kann. Philipp Gessler