„Das ist keine Rentenreform“

■ Thea Dückert, Rentenexpertin der grünen Bundestagsfraktion, lehnt die Pläne des Arbeitsministers in zentralen Punkten ab: Ein Zwang zur privaten Vorsorge ist mit den Grünen nicht zu machen

taz: Sie kritisieren den Entwurf zur Rentenreform, der aus der Regierung kommt, in der Ihre Partei sitzt. Wurden Sie vorher nicht in die Diskussion miteinbezogen?

Thea Dückert: Die Informationen über die Details zur Rentenreform stammen aus dem Arbeits- und dem Finanzministerium. Ich wurde darüber nur kurz informiert. Es ist schon lange klar, daß wir die Eckpunkte an zwei entscheidenden Stellen kritisieren. Es wäre besser gewesen, das erst einmal in der Koalition auszutragen

Welche Punkte des Entwurfs kritisieren Sie?

Ich vermisse den Einstieg in eine echte Strukturreform. Das ist doch keine Reform, wenn man die Renten wie geplant von den Nettolöhnen vorübergehend abkoppelt und an die Inflation anpaßt. Das kann man nicht vermitteln.

Halten Sie diese Kürzung auch für falsch?

Ja. Die Anpassung der Renten muß so verändert werden, daß die Lasten gerecht auf Beitragszahler und Rentner verteilt werden. Dazu muß unbedingt ein Altersfaktor in die Rentenformel eingebaut werden. Das bedeutet: Weil die Bevölkerung immer älter wird, wird auch die Belastung des Rentensystems immer größer. Diese Kosten können nicht nur von der jüngeren Generation getragen werden.

Was fordern Sie also?

Daß das Rentenniveau Schritt für Schritt abgesenkt wird. Das bedeutet nicht, daß die Rentner weniger Geld bekommen. Aber die Zuwächse steigen dann langsamer als die Nettolöhne.

Für noch größere Aufregung hat ein anderer Punkt von Riesters Vorschlag gesorgt: die Pflicht zur privaten Altersvorsorge. Ist so etwas mit den Grünen zu machen?

Die zwangsweise Privatvorsorge ist eine verkappte Beitragserhöhung. Wir sind auch dafür, daß die Leute zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung privat vorsorgen. Aber das soll freiwillig geschehen. Die Rahmenbedingungen dafür müssen verbessert werden. Wir wollen zum Beispiel das Gesetz zur Förderung der Finanzmärkte so verändern, daß jeder Zugang zu einem Pensionsfond bekommt. Einer solcher Fond kann aus einer Mischung von Aktien, ausländischen Anleihen und anderen Anlagen bestehen.

Und Sie glauben, daß die Leute dieses Angebot dann auch nutzen würden?

Die junge Generation von heute weiß, daß eine private Vorsorge sinnvoll ist. Sie geht mit Kapitalanlagen flexibel um. Die private Vorsorge muß jedoch auch von der Steuer absetzbar sein. Die älteren Leute scheuen davor zurück, ihr Geld in irgendeiner Weise gewinnbringend anzulegen. Aber das ist auch die glückliche Rentnergeneration. Die hatte den Druck noch gar nicht.

Sie reden von Kapitalanlagen. Ist ein Sparbuch in Ihren Augen auch eine sinnvolle Privatvorsorge?

Nein, ein Sparbuch mit einer kurzen Kündigungsfrist ist keine gute Altersvorsorge. Die Anlage muß schon so sein, daß sie nicht von heute auf morgen aufgebraucht werden kann.

Sollen auch diejenigen privat vorsorgen, die arbeitslos sind oder die sehr wenig verdienen?

Niemand soll dazu gezwungen werden. Aber auch wer arbeitslos ist, nicht viel verdient oder eine unterbrochene Erwerbsbiographie hat, muß abgesichert sein. Das kann durch eine bedarfsorientierte Mindestrente geschehen.

Sind Sie mit der geplanten Mindestrente auf Sozialhilfeniveau einverstanden?

Es wäre sinnvoll, wenn sie darüber läge.

Werden Sie sich mit Ihren Vorschlägen gegenüber Arbeitsminister Riester durchsetzen?

Die heftige Debatte geht jetzt erst los. Es geht nicht nur um die Renten, sondern auch noch um andere Sparvorschläge. Da gibt es ebenfalls noch viele Streitpunkte. Wichtig ist, daß man die Rentenreform nicht in erster Linie mit einem Sparziel verbindet.

Interview: Tina Stadlmayer