Vertreibung in Europa

Das 20. Jahrhundert ist eines der sogenannten ethnischen Säuberungen. Nur einige Stichworte:

1918 bis 1939

Von 1918 bis 1923 flüchten über eine Millionen Menschen aus Rußland in die neu gegründeten Staaten Polen, Estland und Lettland. Etwa eine Million Westpreußen und Lothringer fliehen ins Deutsche Reich.

Die ungarische Minderheit wird aus Kroatien und Bosnien deportiert. Aus Griechenland wird eine halbe Million Türken vertrieben. Im Gegenzug müssen anderthalb Millionen Griechen das türkische Küstengebiet verlassen.

1939 bis 1945

Der deutsche Vernichtungskrieg gegen Osteuropa führt zu Umsiedelungen und Vertreibungen von über einer Millionen Polen, Letten, Esten, Litauern und Finnen. Ukrainer, Sowjetkoreaner und Wolgadeutsche – fast eine halbe Million – werden Opfer von Deportationen.

Nach dem Krieg schickt der sowjetische Staatschef Stalin Millionen Ostrussen bei Hungermärschen und Deportationen in den Tod.

Seit Mitte der dreißiger Jahre leitete Nazideutschland über 800.000 „Volksdeutsche“ und „Arier“ zurück ins Reich. Zwischen 1938 und 1940 bewirken Staatsverträge wie die Wiener Schiedssprüche u. a. die Vertreibung ehemals kroatischer und bosnischer Ungarn auf ungarisches Hoheitsgebiet. Serben werden Opfer von Vertreibung und Umsiedelung aus Makedonien, Kroatien und Slowenien.

Nach 1945

Die Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland zieht die systematische Vertreibung von Deutschen aus Osteuropa nach sich. Rund zehn Millionen Siedler strömen aus Ostpreußen in das Gebiet der Bundesrepublik. Dazu fluteten über fünf Millionen Flüchtlinge aus Polen, der Tschecheslowakei, Ungarn und Jugoslawien über die westdeutsche Grenze.

Die Sowjetunion betrieb gleichzeitig eine neue Ansiedlung ihrer Bürger in Ostpreußen und Galizien. Kaum nennenswert sind dagegen Umsiedlungen von Türken aus Bulgarien, Italienern aus Istrien und Ungarn aus der Slowakei – zusammen rund 300.000 Menschen.

Seit 1918 sind weit über vierzig Millionen Menschen Opfer unfreiwilliger Völkerwanderungen geworden. Tanja Fischer-Jung