■ H.G. Hollein
: Idiomatisches

Die Frau, mit der ich lebe, kommt aus Nordhessen. Das ist an sich nichts Schlimmes. Nur, daß ich gelegentlich nicht weiß, was die Gefährtin von mir will. Eine Anweisung wie „mach doch mal die Tür bei“ löste bei mir – zumindest in den Frühzeiten unserer Beziehung – keinerlei spontane Reaktionen aus und ließ bei der Gefährtin den bösen Verdacht männlich-trotziger Gefolgsverweigerung aufkommen. Andererseits war die Gefährtin sehr gerührt, als ich auf ihren Hinweis „ich leg mich dann jetzt um“ mit einer gewissen partnerschaftlichen Besorgtheit reagierte. Heute weiß ich, daß damit nichts tödlicheres als ein nachmittägliches Nickerchen gemeint ist und antworte allenfalls mit einem beiläufigen „ist mir recht“. Besorgtheit um mein körperliches Wohl pflegt die Gefährtin mit einem mahnenden „du holst dir noch den Dalles“ zum Ausdruck zu bringen. Ich habe mich anderthalb Jahrzehnte lang vergebens bemüht, herauszufinden, wer dieser offenbar männliche Bedrohungsträger ist. Hin und wieder sind die Äußerungen der Gefährtin aber auch von einer gar trefflichen Bildhaftigkeit. Als ich eines Morgens einmal die Jalousien unseres gemeinsamen Schlafgemaches aufzog, derweil die Gefährtin – noch eher unzureichend bekleidet – ihr Make up auftrug, herrschte sie mich an: „Ich sitz ja hier wie auf der Wegnehme!“ Darunter konnte ich mir durchaus etwas vorstellen. Nun unterläuft aber auch mir bisweilen das eine oder andere Wort, das sich dem Uneingeweihten nicht ohne weiteres erschließt. So sprach ich in der Camargue von „Schwärmen von Flamencos“ oder bitte beim Kochen schon mal um den „Cheyenne-Pfeffer“. Und es kränkte mich tief, daß die Gefährtin in schallendes Gelächter ausbrach, als ich unlängst animiert von einem Besuch im Istanbuler „Okapi-Palast“ berichtete.