Schamaninnen und Superweiber

■ Noch mehr weibliche Weltkunst beim „Hammoniale“-Weekend

Frauen haben mehr graue Zellen im Gehirn – statt vieler weißer – und können deshalb schneller und besser denken als Männer, besagt eine aktuelle Untersuchung der Universität Pennsylvania. Das gilt auch, wenn sie eine ästhetische Offenbarung sind.

Den Beweis tritt heute um 20 Uhr noch einmal die koreanische Soloperformerin Sen Hea Ha (siehe Foto) auf Kampnagel an. Wenn sie tanzt, ist es, als bete sie. Dennoch ist Sen Hea Ha zwar ein haupthaar-, aber kein kopfloses Weib: Sie studierte an der philosophischen Fakultät der Universität Kyungsung und betreibt keineswegs esoterische Fantasterei, wenn sie Rituale der alten koreanischen Überlieferung zu neuer Form führt. Epiphany ist eine sechsteilige Arbeit, in deren Verlauf die Tänzerin, die den letzten Winter als Gast beim Pina Bausch Tanztheater in Wuppertal verbrachte, vielerlei Metamorphosen vollführt.

Als wehklagende Witwe betreibt sie Exorzismus, als Kindgott entdeckt sie die Welt, als Frau meditiert sie, als Priesterin und Hexe beschwört sie, als Göttin der Gnade vergibt sie, als Schamanin schließlich – im letzten und Hauptteil, dem Requiem von György Ligeti – segnet sie in prächtigem Gewand die Toten und die Göttlichen.

Quasi Tür an Tür mit Sen Hea Ha tritt noch eine welterfahrenes Superweib auf: Sanda Weigl, Gefährtin des Dramatikers Klaus Pohl, geboren in Bukarest, aufgewachsen in der DDR, in New York lebend, trifft sich mit dem Balanescu Quartett für Luftsprünge unterm Fiedelbogen: für Zigeunerballaden aus Rumänien. Das exklusive Musikensemble präsentiert mit der Sängerin Weigl erstmals jahrhundertealte Roma-Lieder, was mehr Abenteuer als Folklore ist. Denn für gelungene Experimente ist das Balanescu Quartett berühmt.

Wer danach noch Kraft und Muße hat, kann bleiben und zwischen der holländischen Vokalakrobatin Greetje Bijma (22.30 Uhr) und der afro-jazzigen Powerstimme von Tsidii Le Loka (um 23 Uhr) wählen.

Eingefleischte FestivalgängerInnen müssen sich auch am Sonntag um 20 Uhr knallhart entscheiden: Zwischen der Harlemer Dichterin Sapphire – einem Star, der aus der Gosse kam – und der Deutschland-Premiere des Ensemble Tartit aus Mali. Es besingt die Weite der Sahara, ahmt stimmlich den Gang eines Kamels nach und feiert – na, wen wohl – die Frauen.

Gisela Sonnenburg