Hollerland Tagebuch

■ Dokument der Solidarität: Gästebuch der Hollerlandausstellung

„Unkraut ich will Dein Gärtner sein, wo andere die Rosen hätscheln.“ In ganz kleiner Schrift hat sich ein Unbekannter am 7. Juni, einen Tag nach der Bremer Wahl, in dem Gästebuch der Hollerland-Ausstellung verewigt. Die Ausstellung, die die Geschichte des Feuchtwiesengebietes erzählt, ist vorbei. Das Gästebuch, das die Besucher füllten, bleibt. Auf grobem Öko-Papier entstand ein Dokument der Solidarität für die Naturschützer.

Kinderschriften stehen da neben altdeutschen Lettern, japanisch neben spanisch neben unleserlich. Schulklassen malten Blümchen. Und die Ausstellung wird hochgelobt. „Toll“, „lebendig“, „aufrüttelnd“ sind die Adjektive zu der Veranstaltung, mit der mitten in der Wahlzeit Lobbyarbeit für das Hollerland betrieben wurde. Überschwengliche „Weiter-so“ Appelle richten sich an die AktivistInnen der Bürgerinitiative. Besonders an deren Gründer, Gerold Janssen.

„Hat in Bremen jemand schon mehr Frust ausgehalten als unser unermüdlicher Freund Gerold Janssen,“ fragt jemand nach dem Rundgang durch die Untere Rathaushalle. Ein anderer bemerkt provokativ: „Auch der Selbstdarsteller Gerold Janssen wurde von den Politikern an der Nase herumgeführt“ – gleich gekontert von Friedensaktivist Ernst Busche: „Nein! Ohne den Widerstand von ,Rettet das Hollerland' und Janssen wären Natur und Erholungsgebiet bebaut und zerstört“.

Blättert man durch das Buch, entsteht der Eindruck: Der Versuch, das Hollerland mit der Ausstellung zu glorifizieren, gelang. Gibt es in Bremen ein beständigeres Symbol für Bürgereinmischung als das Naturschutzgebiet neben der Universität Bremen? Gibt es eine leichtere Art, ein „nein“ gegen die Politik zu formulieren, als für das Hollerland zu sein? Gibt es eine bessere Ikone als Janssen, der in seinem Alter auch zu Hause sitzen und gelangweilt in den Sessel pupsen könnte? Das Hollerland eignet sich zum generationenkompatiblen Protest.

Auch bei Kindern kam die Ausstellung gut an. Die zehnjährige Friederike fand es „total toll, daß man hier soo viel ausprobieren kann“. Dem achtjährigen Dilan fehlen die Hilfslinien, doch er kämpft sich schräg über die Seite: „ist schön über natur ich liebe natur“ krickelt er. Für Sonja ist klar: „Wenn die das Hollerland vernichten, sind sie für mich Tier- und Pflanzenmörder!“ Und ein verzückter Erwachsener „sah Kinder am Mikroskop ganz aufgeregt arbeiten, während ihnen die Spinnen über den Kopf liefen, unbemerkt!“.

Die Älteren rechnen ab mit der Politik von CDU und SPD. Den Phantasien, was man mit den einzelnen Politikern am liebsten machen würde, sind in der Anonymität des Buches wenig Grenzen gesetzt. Für den amtierenden Bürgermeister fordert eine Jugendschrift schlicht: „Henning die!“ Und „Bomben auf die CDU und SPD“ gleich hinterher. Gemäßigter ist da schon jene Forderung, Scherf möge unter die Käseglocke gesteckt werden, unter die man nach Bürgermeisters Worten auch das Hollerland nicht stecken dürfe.

In den Tagen nach der Wahl (die Ausstellung lief vom 21. Mai bis zum 13. Juni) kehrt kämpferischer Pessimismus in die Kommentare ein. „Wir lassen Dich nicht allein, Gerold Janssen“, steht da am 9. Juni. „Jetzt nicht, wo die SPD wieder einknickt.“ Ein Anderer diagnostiziert „Ein absolutes Trauerspiel, das Herr Scherf sich täglich leistet – zeigen wir ihm in Solidarität, daß er nicht willkürlich die Natur zerstören kann“. Und wenige Seiten später redet ein Mann frustriert von von der „rot-schwarzen Diktatur“, die Bremen regiert.

Das Gästebuch klappt zu. Niemand zählte die Besucher. „Quantitäten haben wir nicht gemessen“, sagt der alte Janssen. Doch von der „Qualität der Gäste“ ist er überzeugt. cd