Klempner, Lehrer und Pastoren

■ Über Bremer Grüne, die zurück in die kalte Berufswelt müssen

ls Politiker hat man einen Kellnervertrag.“ Dieser Satz soll von Hans Koschnick (SPD) stammen. Zu eigenen Bürgermeisterzeiten soll er ihn gesagt haben. Das ist lange her, aber der Satz gilt noch. Wie in wenigen anderen Branchen wird in der Politik gnadenlos geheuert und gefeuert. Alle vier Wahljahre brechen Parteien und WählerInnen den Stab über Abgeordnete. Das Regelwerk der Demokratie erleben viele Betroffene regelmäßig als Räderwerk – das mehr oder weniger plötzlich über sie hinwegbraust und ihnen neue Lebensweisen aufzwingt.

In Bremen werden mit Beginn der neuen Legislaturperiode über ein Drittel der Mandate neu vergeben. 27 Abgeordnete sind bereits im Mai offiziell aus der Bürgerschaft verabschiedet worden: Drei Grüne, fünf AfBlerInnen und sieben ChristdemokratInnen. Der Rest waren SPD-GenossInnen. Zusätzlich strauchelten am Wahltag ein paar verbliebene Afb-LerInnen über die Fünf-Prozent-Hürde. Die WählerInnen kündigten den Grünen vier weitere Arbeitsplätze im Parlament.

„Ich war traurig, daß es nicht geklappt hat“, sagt der grüne Ex-Abgeordnete Arendt Hindriksen heute unumwunden. Und daß er sich „bis zum Schluß“, trotz 14. Listenplatz, Hoffnungen auf ein Mandat gemacht habe: Für den Fall, daß es Rot-Grün gegeben hätte und die Grünen dann viele SenatorInnen gestellt hätten. Den Theologen, als der er lange arbeitete, konnte Hindriksen auch in manchen pathetischen Parlamentsreden kaum kaschieren. Daß er der einzige grüne Unternehmer in der Bürgerschaft war, dagegen schon eher. Angst vor einer unsicheren beruflichen Zukunft ist ihm deshalb fremd. „Ich könnte sogar in den Pfarrdienst zurück“, erklärt er telefonisch vom Kirchentag aus. Dort vertritt er eines seiner Unternehmen, in dem er eine religionspädagogische Zeitschrift herausgibt. Wie alle anderen Ex-Abgeordneten bezieht er Übergangsgeld: Pro Parlamentsjahr einen Monat lang, im Schnitt 4.600 Mark brutto. Vier waren's.

Klaus Möhle, Nachrücker ins Parlament, einstiger Weidedammbesetzer und langhaarigster Abgeordneter, wird das nicht reich machen. Der gelernte Klempner hatte schon als Abgeordneter bisweilen gemäkelt, daß er als Handwerker in weniger Arbeitszeit mehr Geld verdienen könnte. Doch Not wird ihn nicht plagen. Er gilt als „Lebenskünstler“, bewohnt noch immer seine Datsche im Werderland, wohin er einst mit 50 Gleichgesinnten Umsiedlerinnen und Bauwagenleuten vom Weidedamm zog. Nachdem AnwohnerInnen anfangs heftig gegen die ungewöhnlichen ÖkosiedlerInnen, ihre Torfklos und Schilfkläranlagen protestiert hatten, ist es mittlerweile ruhig geworden um Bremens alternativste Gemeinschaft.

Ganz so selbstbestimmt sieht die Zukunft anderer abgewählter Grüner nicht aus. Zwar sagt die studierte Lehrerin Karin Krusche: „Ich bin froh, daß ich einen Beruf habe, in den ich zurück kann.“ Aber ParteikollegInnen prognostizieren, leicht werde der Wissenschaftsdeputierten die Rückkehr in die Grundschule wohl nicht fallen.

Andere abgewählte Abgeordnete dienen der grünen Politik beruflich weiter. Martin Thomas beispielsweise, der sich nach einer frühen KPD-Karriere in 16 Jahren vom grünen Fraktionsmitarbeiter zum Innenpolitiker emporarbeitete. Dank einer Klausel im Vertrag hat der gelernte Schlosser und Kaufmann wenigstens einen Job – im Parteibüro. Doch Self-made-men sind dort heute weniger gefragt; viele MitarbeiterInnen der Fraktion sind studierte Fachleute. Das weiß auch der 49jährige Thomas. Aber eine Alternative zur politischen Arbeit hat er vorerst nicht. Ein normaler Betrieb wird ihn kaum einstellen.

Neben Thomas kehrt auch Maria Spieker, Jugend- und Frauenpolitikerin, jetzt als Mitarbeiterin ins Fraktionsbüro an der Schlachte zurück. So hatte ihre politische Karriere auch begonnen. „Ich weiß noch, daß ich mich damals schon gefragt habe, was ich hinterher noch machen kann.“ Denn die Grünen, das sagen alle, versorgen ihre gedienten Parteimitglieder schlechter mit Pöstchen als andere Parteien. Dabei war Spiekers Abschied aus dem Plenarsaal – ebenso wie der Christine Bernbachers aus Altersgründen – selbstgewählt. „Die politische Arbeit hat mir Spaß gemacht“, sagt sie. „Aber Koschnick hat recht, Politiker müssen wie Kellner guten Service rund um die Uhr leisten.“ Das sei oft hart gewesen. Gestern hat sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder sechs Stunden gemalt. ede