Spermastarke Verkündigung

■ Mit der Fotoausstellung „Ecce Homo“ in der Emmaus-Kirche nimmt Elisabeth Ohlson die christliche Botschaft beim Wort

Jesus teilt in Stöckelschuhen das heilige Abendmahl inmitten von Transvestiten und Drag Queens aus. Jesus beim Einzug in Jerusalem auf einem Fahrrad, nicht umwedelt von Palmblättern, sondern von Regenbogenfahnen und Transparenten des Christopher Street Days. Die Mutter Maria in der berühmten Pose der Pieta hält ihren Sohn im Arm – einen an den Tropf angeschlossenen Aidskranken auf dem Flur eines Krankenhauses.

Zwölf Stationen im Leben Jesu Christi hat die schwedische Fotografin Elisabeth Ohlson fotografisch neu interpretiert, von der Verkündung Jesu Geburt bis zu einer Himmelsszene. Zwölf Fotos, die in Schweden zu Bombendrohungen, einem Massenansturm auf die Ausstellungen und Stürmen der Entrüstung in der Presse und innerhalb der Kirche geführt haben. Jetzt sind die Arbeiten der 38jährigen, nicht unrenommierten Porträt- und Promi-Fotografin erstmals in Deutschland ausgestellt, und zwar ausgerechnet in einer Kirche. Selbst wenn nicht gleich wie in Schweden Polizeischutz vonnöten war, gab es auch hier Probleme, die allerdings in erster Linie organisatorischer Natur waren.

Der Berliner Bischof Wolfgang Huber untersagte kurzerhand, daß die Ausstellung – wie ursprünglich geplant – in der Matthäuskirche am Kulturforum gezeigt werde. Nun hat sich die Emmaus-Ölberg-Gemeinde am Lausitzer Platz für die Arbeiten der Schwedin stark gemacht. Dort hängen die 1,50 Meter großen Bilder rings um den Kirchensaal.

Ohlson geht es keineswegs um vordergründige Parodie oder Provokation. Auslöser für diese Bilder sei der Tod eines engen schwulen Freundes an den Folgen von Aids gewesen. Dies sei die Strafe Gottes für seinen Lebenswandel, bekam die gläubige Ohlson damals von Kirchenmitgliedern zu hören. Sie reagierte darauf, indem sie 1996 damit begann, ihre Fotografien zu inszenieren: mit schwulen und lesbischen Freunden und deren Familienangehörigen als Modellen. „Ich möchte, daß die Bilder die gleiche Botschaft, zugleich aber auch die Aussage haben, daß wir als Gläubige und Homosexuelle eigene Bilder bekommen, die ganz die unseren sind“, erklärt Ohlson ihr Projekt.

Aufwendig inszenierte und bis ins Detail konstruierte Aufnahmen sind so entstanden, keine von ihnen ist oberflächlich, keine kokettiert auch nur mit einem Fünkchen Ironie. Ohlson bedient sich der christlichen Bildersprache und der Kunstgeschichte, zitiert Rubens, Michelangelo und Gustave Doré und wagt dabei eine eigene, nämlich auf die homosexuelle Ästhetik, Lebenserfahrung und Lebensweise bezogene Sicht. Und das gelingt ihr teilweise mit verblüffender Stringenz. Die Kreuzigungsszene interpretiert sie als einen Gewaltakt Rechtsextremer, die Verkündigung durch den Erzengel Gabriel koppelt sie mit den Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung: Der Engel überreicht einem lesbischen Paar ein Glasgefäß mit Sperma.

Elisabeth Ohlson nimmt die Bibel und die christliche Heilsbotschaft beim Wort. „Ecce Homo“: Sieh den Menschen, wie er wirklich ist. Bei ihr ist er überwiegend schwul und lesbisch, aber, wie man so sagt, ganz und gar menschlich und heutig.

Die Emmaus-Kriche dürfte in den nächsten Wochen so voll sein wie sonst nur zur Weihnachten. Axel Schock

Emmaus-Kirche, Lausitzer Platz (Kreuzberg). Bis 3. Juli, täglich 15-22 Uhr, 18. + 29. 6., und 2. + 3. 7. von 10 bis 17 Uhr. Der Gewinn fließt in die seelsorgerische Betreuung von HIV-Infizierten. Das Katalogbuch ist in der Ausstellung für 58 DM erhältlich.

Jesus hält in Stöckelschuhen das Abendmahl ab – inmitten von Drag Queens und Transvestiten