Wasser marsch: Privatisierung trotz Restrisikos

■ Senat freut sich: Verfassungsgericht vorerst nicht gegen Verkauf der Wasserbetriebe

„Berliner Wasser – alles klar“, verkündete gestern morgen Regierungssprecher Michael-Andreas Butz im Auftrag des Senats. Der hatte zu früher Stunde beschlossen, der Firmengruppe Vivendi/RWE/Allianz endgültig den Zuschlag für 49,9 Prozent der Wasserbetriebe zu erteilen. Doch so klar erscheint die Lage nicht: Das Landesverfassungsgericht hat zwar gestern einen Antrag der Grünen und der PDS gegen die Teilprivatisierung zurückgewiesen, grundsätzlich wird das Gericht aber erst in einigen Monaten entscheiden. Dann könnten die acht RichterInnen zu der Ansicht gelangen, daß die Privatisierung mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist.

In seinem Beschluß schreibt das Verfassungsgericht, daß „alle Beteiligten sich einer etwa notwendigen Rückabwicklung“ der Verkaufsverträge zwischen Senat und Vivendi „bewußt sein müssen“. Grüne und PDS hatten geklagt, weil aus ihrer Sicht unter anderem die mögliche Erhöhung der Wasserpreise nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Das Gericht sieht gegenwärtig keinen Anlaß, die Privatisierung zu stoppen; rechtskräftig würde sie ohnehin erst nach der Zustimmung des Bundeskartellamts im Herbst. Bis dahin wollen sich die Richter eine abschließende Meinung gebildet haben.

Diese Spitzfindigkeiten fochten SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing gestern nicht an. Sie feierte den Abschluß des Konsortialvertrages mit Vivendi und betrachtete die ausstehende Zustimmung des Verfassungsgerichts als bloße Formsache.

Grüne und PDS sprachen von einem „Teilerfolg“ vor Gericht. Sie hoffen weiterhin, daß das Verfassungsgericht das bereits im Parlament verabschiedete Gesetz zur Teilprivatisierung und die darauf aufbauenden Verträge für nichtig erklärt.

CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen lobte den Verkauf der Wasserbetriebe als „Meisterstück“. Die Wasserpreise für die Verbraucher würden bis 2003 nicht erhöht, MitarbeiterInnen nicht massenweise gekündigt und das Unternehmen sowie seine Töchter dank der privaten Unterstützung zu modernen Betrieben entwickelt.

Nach dem zu erwartenden „Ja“ des Abgeordnetenhauses am 1. Juli will die Finanzsenatorin wahrscheinlich einen Nachtragshaushalt 1999 einbringen. Dieser würde regeln, daß 310 Millionen Mark – zehn Prozent des Verkaufserlöses von 3,1 Milliarden Mark – in einen neuen Zukunftsfonds fließen, mit dem der Senat die Wirtschaft voranzubringen gedenkt. Der Topf wird bei der Technologie-Stiftung Berlin angesiedelt und besonders Projekte der High-Tech-Industrien wie Verkehrs-, Laser-, Medizin- und Biotechnologie finanzieren. Hannes Koch