Das Geld bleibt in der Familie

■ Lesben und Schwule sind nicht nur eine umworbene Zielgruppe. Auch die Bandbreite der lesbisch-schwulen Dienstleister hat sich enorm erweitert

Die Farbe des Airbags ist etwas ungewöhnlich: in zartem Rosa schmückt sie das Inserat eines großen Autohändlers. Die Wahl der Farbe kommt nicht von ungefähr, denn die Anzeige soll eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Und auch der Spruch ist doppeldeutig: „Bei mir immer mit“ lautet die Werbung in Berlins schwul-lesbischer Zeitschrift Siegessäule.

Längst sind es nicht mehr nur die Szenekneipen, die in dem Monatsmagazin inserieren. Ob Kaffeeröster oder ein Limousinenservice, sie alle werben um die lesbisch-schwule Zielgruppe. „Ich hab' Schwule unglaublich gern als Kunden. Das ist ein sehr angenehmes Klientel“, schwärmt die Tierärztin Christina Stumpe. „Man kann wunderbar mit ihnen zusammenarbeiten, sie sind immer freundlich.“ Ihre Praxis befindet sich in einer Gegend, in der viele Schwule wohnen. Da lag es nahe, im lesbisch-schwulen Branchenführer, dem „Siegessäule Compass“, zu inserieren. „Das hat sich schon rentiert“, stellt sie fest. Inzwischen hat sie Zulauf von schwulen Tierhaltern auch aus anderen Teilen Berlins. „Die suchen sich das genau aus und gehen dahin, wo sie nicht scheel angeschaut werden“, sagt die Tierärztin, die viele schwule Freunde hat. Die alteingesessene Berliner Buchhandlung Kiepert wirbt schon seit zehn Jahren um die lesbisch-schwule Kundschaft. Es handle sich schließlich um eine „interessante Käufergruppe“, sagt Regine Kiepert, die Tochter des Firmengründers. Lesben und Schwule seien „ein lesendes Publikum“.

Bernd Offermann, der seit Jahren für die Siegessäule Anzeigen akquiriert, stellt fest, daß es leichter geworden ist, Anzeigenkunden für den lesbisch-schwulen Markt zu gewinnen. „Wer da noch Vorbehalte hat, geht an einem wichtigen Marktsegment vorbei.“

Seine Kollegin Anne Jung beobachtet, daß sich in den letzten Jahren die lesbisch-schwulen Dienstleister zunehmend auch beruflich „outen“. „Denen geht es aber nicht in erster Linie um das Geld, sondern darum, die Zusammensetzung der Kundschaft zu steuern“, so ihre Erfahrung. Man wolle „in einem angenehmen Umfeld“ arbeiten.

Das Branchenbuch spiegelt denn auch die größere Vielfalt der lesbisch-schwulen Dienstleister wider. Nicht nur Bars, Clubs und andere szenenahe Institutionen inserieren, sondern inzwischen ist fast jede Branche vertreten: gleich zwei lesbisch-schwule Sprachschulen werben in Berlin um Schüler. Schließlich macht es mehr Spaß, mit Gleichgesinnten zu lernen und ganz nebenbei noch nette Leute kennenzulernen.

Wer seine Wohnung renovieren lassen will, kann gleich auf mehrere schwule Malermeister zurückgreifen. Vom Tischlerbetrieb bis zum Tanzunterricht ist alles dabei, ganz zu schweigen von den traditionell stark vertretenen Friseuren und Floristen. Neben der Graphikbranche boomen auch die Finanzdienstleister. „Unser Büro war das erste in Deutschland, das sich auf schwule Kunden spezialisiert hat“, sagt Ulrich Baumbusch vom „Versicherungsbüro für schwule Männer“. Das ist 16 Jahre her. Damals fragte er bei bundesweit 400 Versicherungsunternehmen an, ob sie für Lesben- und Schwulenpaare gemeinsame Versicherungen anbieten. Inzwischen bieten einige Firmen eine gemeinsame Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung für Homo-Paare an, doch ist dies in der konservativen Branche immer noch die Ausnahme.

„Unübersehbar stellt die queer community in Berlin einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar“, heißt es im Vorwort des Branchenbuches. Doch quantifizieren läßt sich das lesbisch-schwule Bruttosozialprodukt nicht. „Den ökonomischen Faktor darf man aber auf keinen Fall unterschätzen“, meint die Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing GmbH, Natascha Kompatzki. Zur Lesben-und-Schwulen-Parade am 26. Juni, dem Christopher Street Day (CSD), kamen im letzten Jahr 300.000 BesucherInnen, darunter auch viele Auswärtige, stellt Kompatzki fest. „Der CSD ist eines der Top-Events in Berlin.“ Dorothee Winden