Traveller-Idyll an Ghanas Westküste

Wendy, die britische Lady, betreibt mit ihrem 20 Jahre jüngeren Rasta-Mann ein gutgehendes, angepaßtes Touristencamp für den beschaulichen Müßiggang  ■   Von Karl Schaaf

Zhazou jagt ein Huhn. Die kleine Affendame kreischt und tobt an ihrer Leine. Immer wieder will ein umständlich agierender Tross des Federviehs an ihr Futter. So nicht. Mit lautem Gebrüll stürzt sie auf das vorderste Huhn. Panisch flüchtet die Henne. Dreimal am Tag bringt Wendy, die britische Lady und Hausherrin, der kleinen Affendame Futter. Und Abraham der Barkeeper, wirft ihr ab und zu eine halbe Orange hin, an der sie gierig leckt.

Der kleine Ghanaer ist heute morgen mit dem Auspressen von Orangen beschäftigt. Er hat einen ganzen Sack neben sich liegen. Die Bar befindet sich am südlichen Ende von Wendys Place. Zum Strand ist es nicht weit. Die schnuckelige Kneipe hat trotz der ähnlichen Kulisse nicht das kontrastreiche schwarzweiße Bacardi-Flair der Karibik. Sie steht für ein anderes Stückchen vom Paradies. Eher für den üppigen tropischen Garten, wo einst Adams Lebensabschnittsgefährtin Eva in den präparierten Apfel biß. Nur daß man hier eher auf süße Orangen ausweicht.

Für die hierher findenden Rucksacktouristen ist Wendys Place einer der besten Orte an Ghanas Küste. Franz, ein Schweizer, der schon seit vier Wochen unterwegs ist und völlig desillusioniert hier ankam, ist sich da völlig sicher. „Es ist einfach so relaxt hier, du glaubst es nicht!“ zieht er in schwyzerdütscher Urgemütlichkeit die Buchstaben lang .

Neben ihm blinzeln einige Rastas gelangweilt in die Sonne. Das Gonscha, wie das einheimische Marihuana genannt wird, kreist in dicken Joints gerollt, die in hohlen Handflächen versteckt werden, in der Runde. Öffentlich kiffen ist im Mutterland der Rasta-Kultur eigentlich verboten, doch ist die Dreadlock-Gemeinde ideell und ökonomisch davon abhängig. Handelt man doch schließlich mit dem Stoff, der allzu gierige Touristen gelegentlich „breiter“ macht als die schmalen Fußwege, die sich an der Küste hochziehen, es zulassen. Hinter einem Berg süßer Ananasfrüchte wartet eine junge Afrikanerin auf Kundschaft. Müde schleppt sich ein etwas freakig ausschauender Däne vom Strand zurück, begleitet von seiner einheimischen Geliebten, mit der er dort gemeinsam nächtigte. Verächtlich liegt der Blick der alten Fischer auf der Ghanaerin, die durch ihre wechselnden Liebhaber bei den Einheimischen verrufen ist.

Der Tag in Wendys Place beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück. Ein Stück Ananas, Banana-Pancakes, Toast. „Nice breakfast!“ Oft versorgt Wendy ihre Gäste selbst. Der Tourismus ist nicht ihr erstes Business an der Goldküste. Vor einigen Jahren betrieb sie einen kleinen Handel mit Früchten, der hatte sich irgendwann nicht mehr gelohnt. Dann heiratete sie einen 20 Jahre jüngeren Rasta, um mit ihm gemeinsam ein Tourismus-Business zu starten. Über ein Jahr suchten sie an Ghanas Goldküste nach dem richtige Ort, bis sie am Krokobite-Beach ihr kleines Idyll anfangen konnten. Die freundliche und entspannte Lady aus England ist schon weit in den 50ern.

Endlich kommt der ersehnte Wasserlieferant. Durch das dürre Gestrüpp schiebt sich ein alter Lastwagen, auf dem Buckel einen großen Tank. Primitiv und genial zugleich ist die Wasserversorgung organisiert. An jedem Ende des Platzes ist ein gemauertes Bassin in die Erde eingelassen. Daneben steht jeweils eine Eimerdusche, was nicht mehr ist als ein Zementsockel, von einer krümeligen Strohmatte umrankt, und dazu ein Eimer, der zur Körperreinigung über den Kopf gegossen wird. Leer bis auf einen Fingerhut schien der Tank. Nun gibt es endlich wieder Wasser.

Barkeeper Abraham ist traurig. Die Kleinfamilie aus Kalifornien mit ihrem pubertierenden Teenager reist gerade ab. Das Mädchen schenkte ihm ab und zu ein verstohlenes Lächeln.

Die neuen Gäste können den leidenden Abraham nicht trösten. Thomas, ein schwäbisch sprechender Weltenbummler aus Heilbronn, kam Freitag abend. Er reist seit Jahren immer wieder nach Ghana. Wendys Place ist für ihn der beste Platz zum Entspannen.

Heutzutage redet man viel über angepaßten oder nachhaltigen Tourismus. Allgemein versteht man darunter, daß die Einheimischen am wirtschaftlichen Reichtum teilhaben und negative ökologische Folgen ausbleiben. Wendys Place hat, was Ökologie betrifft, mit seinem minimalistischen Ressourcenverbrauch – ohne Strom und fließendes Wasser – als Beispiel für nachhaltigen Tourismus sicherlich gute Werte. Die Toiletten werden mit Meerwasser gespült, abends leuchten Öllampen den Touristen ihren Weg. Wendy ist ohne Zweifel eine gute Arbeitgeberin. Und der Betrieb des Camps sichert einige der wenigen Arbeitsplätze an der Küste.

Blickt man von der Küche in Richtung Strand, wohnt Franziska vom Bodensee in der letzten Hütte auf der nördlichen Seite des Grundstücks. Das kleine, weiß gestrichene Holzhäuschen hat wie die anderen Hütten etwas Englisches. Franziska war letzten Winter schon mal für drei Monate an diesem „Zauberort“, schwärmt sie. Das vielleicht ein Fußballfeld große Grundstück kaufte Wendy vor einigen Jahren für eine halbe Million Cedis, das sind nicht mehr als 500 Mark. Inzwischen hat sich der Wert vervielfacht. Nicht alle Geschäfte an der Küste sind so erfolgreich. Die Flecken am Strand würden oft bis zu dreimal verkauft. Nebenan kaufte ein Japaner ein Stück Land, als er mit seinem Umzugsgepäck ankam, hatte schon ein anderer Ausländer sein Häuschen gebaut. Mit den Fremden lassen sich gute Geschäfte machen, lachen die Einheimischen.

Krokobite Beach erreicht man von der Kaneshi Busstation in Accra. Dort den richtigen Bus zu finden, ist bei der großen Anzahl an Bussen schwierig. Der Abfahrtsort ist auf der der Markthalle gegenüberliegenden Straßenseite. Am einfachsten ist es, die sehr hilfsbereiten Ghanaer zu fragen. Die Fahrt dauert eine Stunde. Krokobite ist Endstation. Ein Taxi zu Wendy kostet zwischen 15 und 20 Mark. Die englischen Häuser bei Wendy kosten ungefähr zehn Mark pro Person. Noch günstiger ist ein Platz in der Hängematte unter dem großen Strohdach.

Öffentlich kiffen ist im Mutterland des Rasta verboten, doch die Dreadlock-Gemeinde lebt davon