Bauernopfer für die Gläubiger

■ Beispiel Honduras: Das hochverschuldete Land will durch Modernisierung seine Bananenwirtschaft in Gang bringen

San Salvador (taz) – Im internationalen Finanzjargon gibt es für Staaten wie Honduras eine Formel: HIPC, „hochverschuldetes ärmeres Land“. In abstrakten Zahlen heißt das für Honduras: 4,3 Milliarden Dollar Auslandsverschuldung. Das ist mehr als das Dreifache der jährlichen Exporterlöse. Über ein Drittel des Staatshaushaltes geht für den Schuldendienst drauf.

Der Wirbelsturm Mitch, der im vergangenen Jahr große Teile des Landes verwüstete, hat dem kleinen Land fast den Rest gegeben. Juan Bendek, Berater des Präsidenten in Wirtschaftsfragen, will jetzt „der Exportwirtschaft und der dafür notwendigen Infrastruktur absolute Priorität einräumen“, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Das bedeutet mehr Monokultur, mehr Bananen- und Ölpalmenplantagen. Das ist ganz im Sinne eines Abkommens, das Honduras im März mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) unterzeichnet hat. Solche Abkommen sind für die G-7-Länder eine der Bedingungen dafür, daß einem HIPC-Land wie Honduras die Schuldenlast erleichtert wird.

Rund achtzig Prozent der knapp sechs Millionen Honduraner leben in Armut. 250.000 Familien und damit 44 Prozent der Landbevölkerung besitzen weniger als 1 Hektar Ackerland oder gar keines.

Vor dreißig Jahren wurde das Agrarreformgesetz für eine gerechtere Bodenverteilung verabschiedet. Brachliegender Boden sollte an landlose Campesinos verteilt werden. Für Landbesitz wurden Höchstgrenzen eingeführt, je nach Bodenqualität zwischen 100 und 1.200 Hektar.

Doch die Bananenkonzerne Chiquita, Dole sowie Zuckerrohr- und Palmölplantagen wurden von dieser Regelung ausgenommen. „Tatsächlich hat die Regierung nur dann Land verteilt, wenn es vorher von Campesinos besetzt wurde“, sagt Gilberto Rios, von Anfang an in der Reformbewegung aktiv.

Doch 1992 verabschiedete das Parlament ein „Gesetz zur Modernisierung des Agrarsektors“, mit dem das Agrarreformgesetz faktisch begraben wurde. Die Höchstgrenzen für Landbesitz dürfen seither wieder überschritten werden, wenn ein Investitionsplan vorgelegt wird. Und Brachland kann nur noch enteignet werden, wenn es mindestens zwei Jahre lang nicht bearbeitet wird. „Ein Großgrundbesitzer braucht nur einen Traktor über den Acker schikken, dann können wir nichts mehr tun“, sagt Anibal Delgado, der Direktor des Nationalen Landwirtschaftsinstituts.

Auch Reformland darf wieder verkauft werden. Mehr als 300 Kooperativen haben das schon getan. Der Bauernführer Francisco Ramos hat Verständnis: „Das ist auch ein kulturelles Problem. Kein Campesino hatte jemals so viel Geld in der Hand.“ Mit ein paar tausend Mark läßt sich eine Familie, die sonst mit hundert Mark im Monat leben muß, leicht über den Tisch ziehen.

Das Ziel dieser „Modernisierung“ ist die Ausrichtung des Agrarsektors auf die Exportwirtschaft: Die Bananenplantagen der US-Konzerne profitieren genauso davon wie die riesigen Palmölplantagen des Präsidentenonkels Miguel Facusse. Chiquita und Dole kauften mehr als die Hälfte des ehemaligen Kooperativenlandes.

Auf der anderen Seite werden Grundnahrungsmittel knapp. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln ist seit 1992 um rund die Hälfte gesunken. Honduras, das einst seine Nachbarländer mit Mais, Reis und Bohnen belieferte, muß heute 100.000 Tonnen Mais pro Jahr importieren. Niemand weiß, wie lange sich Honduras das noch leisten kann. Nach „Mitch“ soll jetzt beim Wiederaufbau der Modernisierungsrhythmus sogar noch beschleunigt werden.

Toni Keppeler

Mit einem Schuldenstand von 4,3 Milliarden Mark geht in Honduras ein Drittel des Haushaltes nur für die Tilgung drauf.