Noch wird weiter beraten

■ Ohne Schein droht den Schwangerenberatungen der katholischen Kirche der Verlust staatlicher Zuschüsse, aber kein Zusammenbruch

Berlin (taz) – Es wird weiter beraten. Man kann heute zu einer katholischen Konfliktberatungsstelle gehen und sich beraten lassen, am Ende bekommt man einen Schein, der zur Abtreibung berechtigt, heißt es beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Aus gegebenem Anlaß. Was aus der katholischen Konfliktberatung wird, steht mal wieder in den Sternen. Die Beraterinnen von Caritas und SkF betreiben keine Vatikan-Astrologie mehr. Sie sind pragmatisch geworden. Sie sprechen nur vom Heute. Ob die Bischöfe dem Papst die Stirn bieten oder nicht, ob das Gerücht von der einjährigen Übergangsfrist stimmt, die der Papst der deutschen katholischen Kirche gesetzt haben soll – bevor die Entscheidung der Bischöfe nicht fällt, bleiben die Dienste bei den alten Appellen.

Die Argumente sind klar und lange bekannt: Steigt die katholische Kirche aus der gesetzlichen Konfliktberatung mit Schein aus, erreichen die Beraterinnen zweifelnde und zögernde Frauen nicht mehr, weil sie die Alternative des Abbruchs nicht mehr offenhalten können. Ein Drittel der Beratenen seien im Durchschnitt ohne den Schein nach Hause gegangen. Das sind die Erfolgszahlen, die der Sozialdienst katholischer Frauen immer wieder meldet, an den dicken Mauern des Vatikans prallen sie ungehört ab. 270 der 1.600 Beratungsstellen in Deutschland sind in katholischer Trägerschaft. Wenn sie den Schein nicht mehr ausstellen, werden sich die Beratungssuchenden auf andere Beratungen umverteilen: die evangelische Kirche, Pro Familia oder die kommunalen Beratungen.

In Bayern sind 26 von 33 Beratungsstellen in katholischer Trägerschaft. Die Caritas-Geschäftsführerin Monika Meier-Pojda sieht trotzdem keine Engpässe: „Die Frauen können zu den kommunalen Gesundheitsämtern gehen, da gibt es auch Beratungen mit Schein.“

Es wird weiter beraten. Und zwar nicht nur bis zu einer Entscheidung der deutschen Bischöfe, sondern auch danach – nur eventuell ohne Schein. Denn das Schwangerenhilfegesetz sieht nicht nur die berühmte Konfliktberatung nach Paragraph fünf vor, sondern auch eine normale Schwangerschaftsberatung (Paragraph zwei). Die würden die katholischen Stellen wie gehabt durchführen. Beratung und Service der katholischen Kirche blieben bestehen: Mutter-Kind-Gruppen, das Bemühen um Kindergartenplätze, Kleidung und Kinderutensilien, Fördergelder.

Ein Fragezeichen bliebe die öffentliche Finanzierung der Beratungsstellen. Landesmittel gibt es sowohl für die gesetzliche Konfliktberatung als auch für die „normale“ Schwangerenberatung nach Paragraph zwei. Die Anteile werden in jedem Bundesland individuell ausgehandelt. Je mehr außerkirchliche Beratungsstellen vorhanden sind, desto niedriger ist der staatliche Finanzierungsanteil an den kirchlichen. In Nordrhein-Westfalen werden manche Caritasstellen nur zu einem Fünftel staatlich finanziert. „Wenn wir keine Konfliktberatungen mehr anbieten, müssen wir mit den Ländern neu verhandeln“, sagt Christa Bärmann vom Sozialdienst katholischer Frauen.

Die katholischen Stellen führen aber ohnehin mehr allgemeine Beratungen durch als Konfliktberatungen. Die normale Beratung würde weiterhin finanziert, die Konfliktberatung eventuell nicht – ein Zusammenbruch stünde bei den meisten Stellen nicht zu befürchten.

Bleiben die Frauen, die eine katholische Konfliktberatung suchen – mit der Option auf Abtreibung, also mit Schein. Müßten sie in Zukunft erst die katholische und dann eine zweite Beratung aufsuchen, um doch noch einen Schein zu bekommen? Die kirchliche Laienbewegung „Wir sind Kirche“ hält das ebenso wie die päpstliche Weisung für unzumutbar. Sie hat mit dem Verein „Frauenwürde“ ein eigenes Beratungskonzept entwickelt, das den gesetzlichen Auflagen gerecht wird. Die katholische Konfliktberatung, so scheint es, ist weniger in Gefahr als die katholische Kirche.

Heide Oestreich