Das Opernhaus am Millerntor

■ Der FC St. Pauli hat eine grausame Saison hinter sich – und es kann noch schlimmer kommen

Die Spielstätte des FC St. Pauli ist das Stadion am Millerntor. Doch in der abgelaufenen Saison hätte man getrost in die Hamburgische Staatsoper umziehen können. Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher hätte seine helle Freude gehabt an dem Stoff. Querelen und Intrigen, Uneinigkeit und Verwechslungsspiele prägten in den vergangenen zwölf Monaten das Bild des Vereins.

Wie es sich für ein Musikdrama gehört, begann alles recht verheißungsvoll. Nach dem Erreichen des vierten Platzes in der Saison 97/98 ahnte man, daß der Aufstieg möglich wäre. Trainer Gerhard Kleppinger hatte die Mannschaft verstärkt und galt als versiert. Doch das schlimme Ende deutete sich schon an: Die Mannschaft spielte schwach. Und am 31. Oktober erreichte das Stück den ersten dramatischen Höhepunkt.

Auf der Jahreshauptversammlung sollte eigentlich Robert Ahrens zum Vizepräsidenten gewählt werden. Statt dessen erläuterte der damalige Schatzmeister, daß die finanzielle Lage des Vereins katastrophal und ein Defizit von 3,5 Millionen Mark zu erwarten sei. Unter diesen Umständen stehe er für kein Amt im Klub zur Verfügung. „Die wirtschaftliche Situation“, bestätigte Präsident Heinz Weisener, „macht eigentlich den Weg zum Konkursrichter notwendig.“ Aber wie in solchen Fällen üblich, spielte der Architekt den Deus ex machina. Auf eigene Kosten stellte er die Liquidität sicher und bereitete den Boden für den zweiten dramatischen Höhepunkt.

Sportlich ging es weiter abwärts. Der Verein landete auf einem Abstiegsplatz und Kleppinger mußte gehen. Doch im Januar wurde die Harmonie beim FC St. Pauli wieder hergestellt – zumindest vorläufig. Für den glücklosen Coach kam in der Winterpause Willi Reimann – bezahlt von Heinz Weisener. Präsidium und Aufsichtsrat wurden ergänzt, der Verein war wieder voll handlungsfähig. Doch bald gab es wieder Knatsch. Der Vizepräsident Wolfgang Helbing wurde von seinem Amt zurückgetreten, als überraschend sein Rücktrittsschreiben auftauchte, und klagte sich wieder zurück auf den Posten.

Im April verweigerte dann der Aufsichtsrat dem Präsidenten die Unterschrift unter Verträge, die dem Mäzen garantierern sollten, daß er sein investiertes Vermögen irgendwann zurückbekommt. Die logische Folge war die Lizenzverweigerung durch den DFB in der ersten Instanz. Umgekehrt formuliert warf der Aufsichtsrat Weisener vor, er erpresse das Kontroll-gremium und verweigere ihm das Recht, die Prüfung der Papiere durchzuführen.

Als Allheilmittel zur finanziellen Konsolidierung gilt allein der Neubau des Stadions. „Noch in diesem Jahr wird mit dem Bau begonnen“, lautet die alljährliche Beteurung. Aber über die Finanzierung und insbesondere die möglichen Investoren schweigt Heinz Weisener sich noch aus. Fest steht, daß das Projekt inzwischen 100 Millionen Mark kosten soll – gegenüber 24 Millionen zu Planungsbeginn anfangs der 90er Jahre.

Im Moment läuft der letzte Akt. Der Etat für die kommende Saison wurde um eine Million auf 12 Millionen Mark abgespeckt, den Verein werden an deren Ende, so die Schätzungen, 7,8 Millionen Mark Schulden belasten, und Heinz Weisener hat angekündigt, daß er ohne neues Stadion nicht mehr in die Bresche springen will. Für neue Spieler ist kein Geld da, was die sportliche Situation für Reimann nicht einfacher macht. Er muß auf den Nachwuchs bauen und mit unbekannten Spielern arbeiten. Sein Ziel lautet, unter die ersten sechs zu kommen. Das wäre schön, das finanzielle Fiasko würde es aber auch nicht verhindern. Das wäre das Ende des Zweitliga-Betriebs. Beim FC St. Pauli ist es wie in der Oper – er stirbt schon, aber er singt noch. Eberhard Spohd