Nächtliche Einflüsterungen

Hier ein hingetupfter Gitarrenakkord, dort ein vorsichtiges Klacken vom Schlagzeug: Die kalifornische Band Spain führt vor, wie man auch mit überaus dezenten Tönen fast bodenständig erscheinen kann  ■   Von Thomas Winkler

Eines Nachts erschien Josh Haden ein Mann, der ihm befahl, seine Band Spain zu nennen. „Ich habe keine Ahnung, wer er ist, aber er taucht öfter in meinen Träumen auf. Er gibt mir Rat, aber er erklärt nichts. Ich denke, ich soll ihm wohl vertrauen.“

Konsequenterweise ist auch die Musik der Band, die Sänger und Bassist Haden daraufhin tatsächlich Spain nannte, eher verträumt. „Dreaming of Love“ hieß ihre erste Single und legte den Themenkanon in weiten Teilen fest. „Alle meine Songs“, erzählt Haden, „drehen sich darum, wie jemand verlassen wurde oder seine Träume enttäuscht wurden, oder wenigstens darum, daß jemand pleite ist.“ Bis heute hat sich daran nichts Wesentliches geändert.

Hadens verzweifelte Texte werden von seiner Band mit so reduzierten Tönen unterlegt, daß im Vergleich selbst Mazzy Star oder die Cowboy Junkies wie verantwortungslose Verschwender wirken. „I couldn't leave if I try“, singt Haden. Hier ein hingetupfter akustischer Gitarrenakkord, dort ein paar zarte Lebenszeichen vom Baß, ein vorsichtiges Klacken vom Schlagzeug, das muß reichen. Und reicht auch. „Die meisten in der Band“, gesteht Haden, „hören harten Rock, ich auch.“ Cream hält er für die Größten, vor Spain hat erin einer Punkband gespielt. All das aber ist nicht mehr zu hören. Zum Glück, denn sonst wäre einem einiges entgangen.

So aber kann man Songs lauschen, in denen nichts, aber auch gar nichts zu passieren scheint, außer daß eine Oberfläche auf Hochglanz poliert wird. Vor allem das Debütalbum „The Blue Moods of Spain“ geriet Haden so geschmäcklerisch, wie man es von jemandem erwarten darf, der in einer überaus musikalischen Familie aufgewachsen ist: Seine Großeltern väterlicherseits sangen in der berühmten Grand Ole Opry zu Nashville; die Großeltern der mütterlichen Linie verdienten ihren Lebensunterhalt in einem Mandolinenorchester; seine Mutter spielte Oboe, sein Vater Charlie Haden den Bass für Ornette Coleman und Keith Jarrett. Und seine Schwestern Rachel und Petra schließlich bilden eine Hälfte der Gitarrenpopband that dog.

Im Vergleich zum Debüt ist die aktuelle Platte der Band aus Los Angeles und San Francisco, „She Haunts My Dreams“, fast bodenständig geworden. Die Jazzanleihen, ohnehin eher kitschig geraten, wurden weitgehend getilgt. Statt dessen orientiert man sich nun stärker an Blues und Country, weil „diese Musiken so viel sagen können, ohne viel zu sagen“, wie Haden glaubt. Weiterhin aber setzen Spain natürlich lieber einen fragilen Ton zuwenig als einen zuviel. Und Hadens Texte starren immer noch vor Selbstmitleid.

Allerdings: Man soll nicht denken, die Musik von Spain wäre nur schöner Schein oder im besten Falle die Nabelschau eines melancholischen Menschen. „Die meisten Leute glauben, Spain habe keine politische Dimension“, sagt Haden, „das denke ich schon, auch wenn es nicht sehr direkt ist. Ich sage nicht, Bob Dole ist abgefuckt. Aber ich sage, daß wir in einer kapitalistischen Gesellschaft zu sehr auf Dinge konzentriert sind, die nicht existieren, und das zerstört die Beziehungen zwischen den Menschen.“ Ob ihm auch das im Traum eingeflüstert wurde? Heute, 21 Uhr, im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg