Wenn Frauen Visionen haben

■ Das erste Berliner Frauenparlament will dem Abgeordnetenhaus einen Katalog mit 30 Forderungen übergeben. Doch die hehren Wünsche lassen sich kaum in Gesetzesform gießen

Die Abgeordneten, die im Oktober neu gewählt werden, müssen sich warm anziehen. Die Parlamentarier sollen dafür sorgen, daß es weder öffentliche noch halböffentliche Gelöbnisse gibt, daß der Bundesgrenzschutz in Berlin nicht zum Zuge kommt und daß die Prostitution als Beruf anerkannt wird. Außerdem sollen sie eine „geschlechtsrepräsentative Sprache“ auf Parlamentsebene einführen, gesperrte Mittel für Frauenprojekte freigeben und Schwimmbäder in öffentliche Hand zurückführen

Diese Forderungen gehören zu einem rund 30 Punkte umfassenden Katalog, den das erste Berliner Frauenparlament am Wochenende verabschiedet hat. Im Herbst soll er den neu gewählten Abgeordneten in einer „gagigen Aktion“ übergeben werden.

Weil Frauen in den Parlamenten noch immer in der Minderheit sind, hatte das Bildungswerk der Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit den Schöneberger Grünen „zum Mitbestimmen“ eingeladen. Daß nur etwa 60 Frauen den Weg ins Schöneberger Rathaus gefunden hatten, mag nur zum Teil daran liegen, daß das Frauenparlament mit diversen Stadtteilfesten konkurrieren mußte.

Auch Projektleiterin Birgit Erbe hätte sich mehr Teilnehmerinnen gewünscht. Es sei schwer, „eine breite Basis on Frauen anzusprechen“. Dennoch ist Erbe mit der Resonanz „halbwegs zufrieden“. Gekommen waren Sozialarbeiterinnen, Gleichstellungsbeauftragte, Gewerkschaftsfrauen und Kommunalpolitikerinnen. Wie in einem richtigen Parlament brachten sie unzählige Anträge ein. Für die entsprechende parlamentarische „Bodenhaftung“ sorgte eine Justitiarin, die „zielgenaue Formulierungen“ anmahnte und darauf hinwies, daß es „Energieverschwendung“ sei, auf kommunaler Ebene eine Wohngelderhöhung zu fordern. Schließlich sei der Zuschuß zur Miete in einem Bundesgesetz geregelt.

„Die Frauen wollen keine echten Parlamentarierinnen sein“, verteidigte Projektleiterin Erbe den weitgespanntenForderungskatalog. Es gehe vielmehr darum, „praktische politische Bildung“ zu betreiben. Ursula Grase von der Bezirksgruppe der Grünen in Zehlendorf merkte an, daß „Visionen jenseits der gesetzlichen Grenzen“ nach wie vor wichtig seien. So will sie eine der Hauptforderungen, die „geschlechtsparitätische Besetzung von Entscheidungsgremien“ zumindest als „Appell an alle Ebenen“ verstanden wissen.

Von einer Forderung allerdings bleibt das Berliner Abgeordnetenhaus verschont. Der Antrag auf eine Friedenstruppe aus 500 yogischen Fliegern fand im Frauenparlament keine Mehrheit. B. Bollwahn de Paez Casanova