Kommentar
: Küss' die Hand, großer Bruder

■ Kameras im Knast sind keine Lösung

Wenn Häftlinge sich in dem Gemeinschaftsraum vor der Diätküche zum Fernsehen, Kartenspielen und Rauchen treffen, müssen sie künftig befürchten, mit Kameras überwacht zu werden. „Big Brother is watching you“ wird dann zum faden Beigeschmack. Es ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel, die man bei diesem Vorgehen stellen muß. Auch wenn ein Täter, in diesem Fall vermutlich ein Dealer, durch die Installation einer Kamera leichter erwischt werden kann, wird das Treiben vieler Unschuldiger auch mal so eben von der Staatsanwaltschaft mit gefilmt. Datenschutzrechtlich ist das bedenklich.

Doch es gibt noch eine andere Frage zu klären. Schafft man es, mit solchen Maßnahmen den Drogenhandel in Gefängnissen zu begrenzen? Wieso sind gerade Knäste einer der größten Drogenumschlagplätze in der Gesellschaft überhaupt? Wieso beginnen Kriminelle hier nicht nur als Dealer, sondern vor allem auch als Konsumenten sehr oft eine neue Karriere?

Hier, hinter Gefängnismauern, blüht das System von Unterdrükkung und Korruption, und daran sind nicht nur die Häftlinge schuld. Denn Geschäfte kann man nur mit Waren machen, und die können nur von außen kommen. Freigänger und auch Besucher werden beim Gang in den Bau im allgemeinen gut durchsucht. Es wäre sinnvoll, den Blick der Ermittler stärker und öfter auf Justizvollzugsbeamte zu richten, die viel leichter heiße Ware als Kuriere an ihren Arbeitsplatz schmuggeln können.

Doch sich um Datenschutz und juristische Kinkerlitzchen zu kümmern ist im Knast nicht gerade angesagt. Einen Lebenslänglichen interessiert an dem Fall mit der Kamera vor allem eins: „Es ist doch ein starkes Stück, daß die, die die Kamera eingebaut haben, so dämlich sind“, sagt er amüsiert. Und ohnehin sei den Insidern, denjenigen, die wie er schon seit 20 Jahren hier säßen, klar, „daß man aufpassen muß“. Er würde es nicht ausschließen, daß man rein theoretisch überall gefilmt werden könnte, auch in den Zellen, wo das verboten sei. Für ihn wie für viele andere Insassen, so scheint es, ist das Ganze eher eine komische Geschichte im tristen Alltag. Annette Rollmann