Innen hui, außen Shui

■ Vom Umgang mit geheimen Pfeilen und dem südöstlichen Wohnungssektor

Seit Jahren schon fragen sich eingefleischte Royalisten wie Sie und ich, warum das englische Königshaus – früher ein Hort der familiären Harmonie – geradezu schicksalhaft „von Skandalgeschichten und vom Zerbrechen der Ehen aller Kinder der Königin“ heimgesucht wurde. Jetzt weiß man Bescheid: Es ist die Schuld des Londoner Straßenbauamts.

Um das zu verstehen, müssen Sie zunächst einmal wissen, daß der Buckingham-Palast verhängnisvollerweise am Ende einer schnurgeraden Allee liegt, der „Mall“. Nichtsdestoweniger blieb die britische Monarchie jahrhundertelang von Katastrophen verschont, denn zum Glück endete die Mall „vor den Toren des Palastes in einem Kreisverkehr. Vor einigen Jahren jedoch wurde dieser Kreisverkehr teilweise zur Fußgängerzone erklärt“, und seitdem wird das Eigenheim der Windsors mit voller Wucht von einer verheerenden Kraft getroffen, welche – erzeugt von der Mall – bis dahin von den Kurven des Kreisels abgelenkt wurde. Es sind – die „geheimen Pfeile“.

Ich schätze, Sie denken jetzt daran, mir einen guten Nervenarzt zu empfehlen. Tatsächlich aber habe ich Sie soeben in das kleine Einmaleins von „Feng Shui“ eingeführt, und bevor nun einige von Ihnen zu rätseln anfangen, ob es sich dabei um eine Kampfsportart oder eine Serviettenfalttechnik handelt, erkläre ich hiermit allen, die bisher noch nichts davon gehört haben sollten, daß Feng Shui die chinesische Lehre von der Raumgestaltung ist und so etwas darstellt wie die asiatische Alternative zum Ikea-Programm.

Fest steht, daß nicht nur Monarchen geheime Pfeile zu fürchten haben. Auch Sie brauchen nur aus der Haustür zu gucken, um eine Erklärung dafür zu finden, warum Sie sich beim Anlecken eines Briefumschlags immer wieder in die Zunge schneiden. Denn jeder Kirchturm und jeder Schornstein, den Sie sehen, selbst die „scharfen Kanten großer Gebäude“ schießen verderbenbringende Pfeile auf Sie ab, und wenn Sie gar eine Satellitenschüssel ausmachen können, die auf Ihre Heimstatt gerichtet ist, dann sollten Sie eigentlich froh sein, daß Sie nicht längst in einem Eichensarg wohnen.

Zum Glück aber können Sie mit Hilfe des Feng Shui die Giftpfeile nicht nur erkennen, sondern auch wirksam bekämpfen. Sie brauchen eigentlich nur „die Eingangstür ... zu verlegen“. Ganz ähnlich können Sie den Pfeilen begegnen, die von den Möbeln im Inneren Ihrer Kemenate ausgesendet werden. Das Beste ist: Werfen Sie alles Ekkige ohne viel Federlesens auf den Müll! Ausgleichen können Sie den Verlust einfach dadurch, daß Sie „im südöstlichen Sektor“ Ihrer Wohnung ein Aquarium aufstellen, denn nichts führt nach der unwiderleglichen Weisheit des Feng Shui so zwangsläufig zu einer atemberaubenden Reichtumsvermehrung wie ein Bottich Wasser in diesem Bereich.

Noch nicht gelöst ist damit freilich das leidige Problem des Toilettenstandorts. Selbst hochrangige Feng-Shui-Meister wackeln ratlos mit dem Kopf, wenn sie darüber nachdenken, wo man den Lokus aufstellen soll. Befindet er sich im Südwesten, spült er unweigerlich Ihr Liebesglück davon, steht er im Norden, flutscht die Karriere in die Kanalisation. Es gibt demzufolge in der ganzen Wohnung keinen Ort, wo die Kloschüssel nicht das größte Unheil anrichten würde, und deshalb muß ich Ihnen sehr eindringlich dazu raten, den Eingang zu dem verhängnisvollen Zimmerchen zuzumauern und künftig – wenn Sie sich nicht um Kopf und Kragen spülen wollen – ausschließlich öffentliche Bedürfnisanstalten aufzusuchen. Joachim Schulz

(Zitate aus: Stephen Skinner, „Feng Shui“. Augsburg 1999)