Schmidbauer spielte „stille Post“

■ Ex-Geheimdienstkoordinator gerät in Kolumbien in die Schlagzeilen

São Paulo (taz) – Verschnaufpause im Geiseldrama: Nach einem vierstündigen Gespräch mit dem kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana ist Bernd Schmidbauer am Sonntag nach sechs turbulenten Tagen nach Deutschland zurückgekehrt. Dort hatte der ehemalige Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator an zwei Geiselfreilassungen der Guerilla-Organisation Nationales Befreiungsheer (ELN) teilgenommen sowie vor dem Friedensausschuß des kolumbianischen Parlaments Rede und Antwort gestanden.

Schon seit 1995 möchte der CDU-Abgeordnete zwischen ELN und kolumbianischer Regierung vermitteln. Bonn hat jedoch signalisiert, daß die deutsche Regierung nur auf ausdrücklichen Wunsch von Präsident Pastrana zu einem Engagement bereit sei. Ludger Volmer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, distanzierte sich ausdrücklich von Schmidbauer: Dieser handele „auf eigene Rechnung“, sagte Volmer dem Tagesspiegel. In der aufgeheizten politischen Atmosphäre des Andenstaates mußte Schmidbauer gehörig einstecken: Für die Tageszeitung El Colombiano ist er ein „Sprachrohr“ der Guerilla. Der Vorsitzende der konservativen Partei, Enrique Gómez Hurtado, bezeichnete ihn als „Aasgeier“ und „Monster“. Nur einige Oppositionsabgeordnete nahmen ihn in Schutz.

Noch immer hält die ELN über 60 Geiseln aus drei Massenentführungen in ihrer Gewalt. Am Freitag bekannte sich ELN-Kommandant Antonio Garcia zu Lösegeldforderungen, worauf Pastrana die Rebellen öffentlich als „eine Bande Krimineller“ titulierte. Ein Aufatmen ging durch das Land, als der Präsident tags darauf ankündigte, alle Geiseln würden „ohne Bezahlung auch nur eines Centavos“ freigelassen. Doch die Erleichterung hielt nur eine Stunde vor: Dann nämlich widersprach ELN-Chef Nicolás Rodriguez („Gabino“) in einer improvisierten Pressekonferenz dem Präsidenten: „Ich fordere Pastrana auf zu sagen, wer von der ELN wann und wem gegenüber zugesichert hat, daß wir alle Festgehaltenen ohne jede Bedingung freilassen. Es ist nicht wahr.“

Erst allmählich stellte sich heraus, daß Bernd Schmidbauer im Zentrum dieses „Mißverständnisses“ stand. Um die ELN zur Herausgabe der Geiseln zu bewegen, hatte er deren angebliche Bereitschaft zum Einlenken dem deutschen Bischof Emil Stehle mitgeteilt. Dieser ist schon seit Monaten intensiv an den diplomatischen Kontakten mit Guerilleros beteiligt. Stehle gab seinerseits die Information an den kolumbianischen Kardinal Dario Castrillón weiter, der im Vatikan zu den engsten Beratern des Papstes zählt. Castrillón schließlich verständigte Pastrana. Ob Schmidbauers Trick bei der ELN Wirkung zeigen wird, ist derzeit noch unklar.

Ein Ziel hat der Ex-Geheimdienstchef jedoch erreicht: Pastrana gab seine tagelange Blockade auf und empfing ihn. Dabei, so der Bundestagabgeordnete zufrieden, sei man sich einig gewesen, daß alle Geiseln bedingungslos freigelassen werden müßten. Offen blieb, ob er den Präsidenten zu Friedensgesprächen mit der ELN bewegen konnte. Gerhard Dilger