Katholische Bischöfe sind nicht scheinselbständig

■ Der Papst will den Beratungsschein „modifizieren“. Ob das den Ausstieg aus der Schwangerenberatung bedeutet, bleibt unklar

Berlin (taz) – Einmal werden wir noch wach – erst morgen wird zu erfahren sein, was in den geheimnisumwitterten neun Seiten Papier steht, über die die bischöflichen Großmeister der Exegese in ihrer Würzburger Klausur brüten.

„Katholische Kirche steigt aus der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung aus“, lautete die alarmierende Nachricht, die vergangene Woche durchsikkerte. Inzwischen hagelt es Dementis, Interpretationen und rätselhafte Andeutungen.

Während die kirchlichen Laien schon Ersatzberatungen organisierten, warfen einzelne Bischöfe die ersten Nebelkerzen: Bischof Müller aus Görlitz behauptete, von Ausstieg sei in dem Brief gar nicht die Rede. „Es steht auch nicht drin, daß die Ausstellung des Scheins verboten wird“, sagte er. Bestätigt wurde dies inzwischen vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Karl Lehmann, der kurz vor Beginn der Sitzung noch einmal vor die Presse trat: Der Beratungsschein solle bleiben, er würde aber eine „Modifizierung enthalten“. Worin diese vom Papst eingefügte Modifizierung bestehe, sagte er nicht.

Auf die Frage, ob der Beratungsschein künftig mit dem Zusatz versehen werden solle, daß er nicht für eine Abtreibung genutzt werden dürfe, sagte Lehmann: „Diese Formulierung gibt es nicht.“ Jedenfalls sei sie teilweise nicht richtig, fügte er danach hinzu.

Die vom Vatikan vorgeschlagene Lösung beruht angeblich auf einem der vier Vorschläge, die die Bischöfe im Februar nach Rom geschickt hatten. Die Konferenz hatte die Erweiterung des Beratungsnachweises zu einem „Beratungs- und Hilfeplan“ favorisiert, in dem alle Hilfsangebote für Mütter detailliert aufgelistet werden.

Die gesetzlich vorgeschriebene Bescheinigung bestätigt dagegen lediglich, daß eine Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz stattgefunden hat.

Durch einen „Hilfeplan“ mit dem Zusatz, dieser Plan dürfe nicht als Erlaubnis für einen Abbruch dienen, wie jetzt gemutmaßt wird, entstünde allerdings eine abstruse Situation: Die vorgeschriebene Beratung hätte stattgefunden und wäre dokumentiert. Aber auf dem vorgeschriebenen Dokument wäre vermerkt, es dürfe für seinen ursprünglichen Zweck nicht verwendet werden. Man kaufte quasi einen Fahrschein mit der Aufschrift: Dies ist kein Fahrschein. Ob die Schaffner, in diesem Fall die Bundesländer, einen solchen Schein anerkennen und damit die Beratung weiter finanzieren würden, steht in den Sternen.

Die Bischöfe sind in ihren Entscheidungen weder dem Papst noch der Bischofskonferenz bindend verpflichtet. Jeder Bischof müsse sich seiner eigenen Diözese gegenüber verantworten, sagte Lehmann. Gleichzeitig betonte er, daß die Konferenz bemüht sei, eine einheitliche Regelung zu finden.

Im Moment geht allein der hessische Bischof Dyba einen Sonderweg, allerdings ganz im päpstlichen Sinne: In der Diözese Fulda werden seit 1993 keine Beratungsscheine ausgestellt. Für die schwangeren Frauen brachte das nur wenig Unannehmlichkeiten mit sich. Zum einen wenden sich Frauen, die bereits zum Abbruch entschlossen sind, ohnehin eher an andere Beratungsstellen. Zum anderen scheuen Frauen, die auf eine katholische Konfliktberatung Wert legen, nicht davor zurück, zwei Stellen aufzusuchen: eine für den Schein und eine für die Beratung.

Das ist beispielsweise die Erfahrung der Beraterin Brigitta Jungschaffer vom „Sozialdienst katholischer Frauen“, deren Beratungsstelle im Gebiet der Diözese Fulda liegt: „Viele haben den Schein schon in der Tasche und kommen her, um noch mal eine andere Perspektive zu hören.“

Eine endgültige Entscheidung über den Vorschlag des Papstes, so warnte Bischof Lehmann vorsorglich, sei nicht unbedingt am Mittwoch, sondern erst auf der Vollversammlung der Bischöfe im Herbst zu erwarten. Heide Oestreich

Der Beratungsschein soll bleiben. Mit einer „Modifizierung“, über die sich Bischof Lehmann noch ausschweigt