Letzte Ruhe für Ken Saro-Wiwa

■ Schritt zur Versöhnung in Nigeria: Die neue Regierung will die Überreste des 1995 hingerichteten Bürgerrechtlers freigeben

Berlin (taz) – Nigerias neue gewählte Regierung hat einen großen Schritt zur Versöhnung mit den Opfern der Militärdiktatur getan. Sie will den Leichnam des Ogoni-Bürgerrechtlers Ken Saro-Wiwa freigeben, damit seine Familie ihn ordentlich beerdigen kann. Diese Zusage, schrieb jetzt die Zeitung Post Express, machte der neue Präsident Olusegun Obasanjo am vorletzten Sonntag in Nigerias Hauptstadt Abuja bei einem Treffen mit Vertretern des Ogoni-Volkes, darunter Saro-Wiwas Bruder Owens Wiwa, der erst zwei Tage vorher aus dem Londoner Exil zurückgekehrt war.

Ken Saro-Wiwa hatte Proteste des Ogoni-Volkes gegen die verheerenden ökologischen und sozialen Folgen der Ölförderung im Niger-Flußdelta angeführt. Im November 1995 wurde er zusammen mit acht anderen Ogoni-Aktivisten vom damaligen Militärregime des Generals Sani Abacha gehenkt, was Nigeria die weltweite Isolation bescherte. Die toten „Ogoni 9“ wurden vom Militär zur schnelleren Verwesung mit Säure getränkt und an einem geheimen Ort begraben.

Obasanjos Zusage erfolgte nach einer Rundreise durch das Ölfördergebiet im Niger-Delta, das seit Obasanjos Amtsübernahme am 29. Mai die bisher schwersten Unruhen erlebt hat. Die jetzt versprochene Freigabe soll für alle neun Leichen gelten. Ausländische Pathologen, so Owens Wiwa, sollen zur Identifizierung der Überreste herangezogen werden, die dann ein traditionelles feierliches Begräbnis in ihrer Heimat erhalten werden. „Wir interessieren uns für jedes Stück, sogar Zähne“, sagte Owens Wiwa in einem Zeitungsinterview. „Wir werden die Hilfe von Pathologen suchen, um durch DNA-Tests Kens Überreste zu identifizieren.“ Mit den Hinrichtungen soll sich nun auch die neugegründete Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur beschäftigen, die am 22. Juli ihre Arbeit aufnehmen soll.

Im Niger-Delta hat die neue Entwicklung Freude ausgelöst. In der Ölstadt Port Harcourt, wo Ken Saro-Wiwa hingerichtet wurde, versammelten sich am Freitag nach Angaben von Bürgerrechtsgruppen 10.000 Menschen zu einem „Karneval der Unterdrückten“, um Owens Wiwa am Flughafen zu begrüßen. Es folgte eine Prozession quer durch die Stadt. Auf dem Weg wurden die Büros der von Ken Saro-Wiwa gegründeten Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes (Mosop) feierlich wiedereröffnet und Büros mehrerer Ölfirmen einige Stunden lang blockiert. Eine nach General Sani Abacha benannte Straße wurde in Ken-Saro-Wiwa-Straße umbenannt. Dominic Johnson