Jelzins Kölner Show läßt Opposition verstummen

■ Der Kreml-Herr mal wieder im Mittelpunkt der Weltpolitik: Die Anerkennung des Westens läßt vergessen, daß die Schuldenprobleme Rußlands nach wie vor ungelöst sind

Erst brummte er mächtig und furchterregend, dann tanzte er wieder. Präsident Boris Jelzin, die Inkarnation des russischen Bären, blieb seinem Ruf auf dem G-8-Gipfel in Köln treu. Er umarmte und fingerhakelte mit den Staatschefs, als wäre er, der teilzeitsieche Patriarch aus dem Kreml, der eigentliche Pater familias der führenden westlichen Industrienationen.

Dieses Gefühl wollte der Westen dem schwerfälligen Bären nicht nehmen. Die Elogen über die vermittelnde Rolle Rußlands im Kosovo-Konflikt konnten nicht honigsüß genug ausfallen.

Wie man die politischen Leistungen des Kreml-Chefs auch bewerten mag, er beherrscht es grandios, sobald transportfähig, sich in Szene zu setzen. Sogar zu Hause in Rußland schweigt die nationalistische und kommunistische Opposition, nachdem sich Moskau und Washington in Helsinki auf ein gemeinsames Vorgehen im Kosovo haben einigen können. Und das, obwohl der Kreml keines seiner Ziele erreicht hat. Weder verwaltet Rußland fortan einen eigenen Sektor, noch ist das russische Friedenskontingent gänzlich unabhängig von der Nato. Die Absicht der russischen Militärs, den Norden des Kosovo zu besetzen und Belgrad zuzuschlagen, konnte der Westen vereiteln. Und dennoch ist das Thema in Moskau vom Tisch.

Premierminister Sergej Stepaschin, der den Präsidenten an den ersten beiden Tagen des Gipfels vertrat, nannte zurück in Moskau als wichtigstes Gipfelergebnis: Rußlands vollwertige Mitgliedschaft in der G 8. Für den russischen Regierungschef war es zudem der erste Auslandsauftritt in seiner neuen Funktion. Glaubt man westlichen Quellen, so hat sich Stepaschin gut geschlagen: „Er legte einen großartigen Auftritt hin“, meinte ein US-Diplomat anerkennend. Offenkundig hinterließ Jelzins vierter Ministerpräsident innerhalb von anderthalb Jahren auch deswegen einen guten Eindruck, weil er Würde bewahrte und für das Entgegenkommen auf dem Balkan nicht gleich Bargeld verlangte.

Damit ist Rußland aber noch lange nicht wieder an Bord. Die Unstimmigkeiten haben tiefes Mißtrauen auf beiden Seiten hinterlassen. Und Boris Jelzins Laune kann sich je nach innenpolitischer Lage oder persönlichem Befinden schlagartig ändern. So hat das Kosovo-Abenteuer die Rolle der Militärs erheblich aufgewertet. Sollten sie sich jetzt wieder ruhig in ihren Kasernen verkriechen? Zwar bekundeten Jelzin und Clinton, es sei das fruchtbarste Treffen seit Jahren gewesen. Sie einigten sich, die Abrüstungsverhandlungen des START-III-Vertrags fortzusetzen, und Jelzin versprach, sich für die Ratifikation des START-II-Abkommens einzusetzen. Darüber hinaus will Moskau die seit Ausbruch des Bombenkrieges eingefrorene Tätigkeit des Nato-Rußland-Rates wieder reaktivieren. Überdies sicherte der Kreml-Chef den seit langem beunruhigten Amerikanern zu, der russisch-iranischen Kooperation im Atombereich auf den Grund zu gehen. Soviel zur Stimmung.

Bei den russischen Schulden von etwa 150 Milliarden Dollar, von denen die Hälfte auf deutsche Kreditgeber entfällt, wird weiter verhandelt. Finanzminister Kasjanow beklagte, daß im Westen die russischen Schulden als Paket behandelt würden. Kredite, die Rußland indes nach dem Zusammenbruch der UdSSR seit 1992 aufgenommen hätte, würden regelmäßig und in vollem Umfang bedient. Daran solle sich auch nichts ändern.

Bei den übernommenen sowjetischen Altschulden wünscht Kasjanow indes weichere Bedingungen, eine Schuldenrestrukturierung, einen Zahlungsaufschub oder Umwandlung in Anleihen. Im Juli verhandelt der IWF über die Auszahlung eines 4,5-Milliarden-Dollar-Kredits an Rußland . Danach soll sich der Pariser Club mit der Umschuldung der Altlasten befassen. Klaus-Helge Donath, Moskau

Auch Stepaschin bewahrte Würde und forderte für das Entgegenkommen auf dem Balkan nicht gleich Bargeld