Die Ränder des Regenbogens

■ Homosexuelle Lebenswelten in Afrika, Asien und Südamerika: Die Filmreihe „The Colors and Cultures of the Rainbow“ im SO 36

„Hautfarbe ist nicht nur eine menschliche oder persönliche Gegebenheit; sie ist eine politische Realität. Diese Unterscheidung ist jedoch so schwer zu treffen, daß der Westen bis jetzt nicht dazu in der Lage war“, schrieb der 1987 verstorbene schwarze und offen schwul lebende Schriftsteller James Baldwin. Er meinte damit alle Hautfarben. Die Bomben, die in diesem Frühjahr in der Londoner Old Compton Street und vor dem Markt in Brixton hochgingen, machten tatsächlich keinen Unterschied zwischen einem jamaikanischen Baby und einer Skinheadtunte. Sie richteten sich gleichermaßen gegen farbige Einwanderer und die schwule Szene. Das Paradoxe daran: Beide Zielgruppen des rassistischen Anschlags sind selbst durch latenten Rassismus geprägt – Rassismus reduziert Menschen auf ihre Hautfarbe, ihre sexuelle Orientierung oder kulturelle Herkunft.

Ebendieser Reduktion stellt sich die von der James Baldwin Society im SO 36 veranstaltete Filmreihe „The Colors and Cultures of the Rainbow“ entgegen. Diese Reihe schildert das Leben und die Geschichte von Lesben und Schwulen aus Afrika, Asien, Südamerika oder der schwarzen Community in den USA – jeweils aus ihrer Sicht. Sie vermittelt ein Selbstbild, das sich nicht an den Stereotypen weißer homosexueller Kultur mißt.

Filme wie der in Taiwan boykottierte „Not Simply A Wedding Banquet“, der den Verlauf der ersten öffentlichen Schwulenhochzeit in Taipeh festhält, oder Shari Frilots kritische Zustandsbeschreibung der schwarzen schwul-lesbischen Gemeinschaft „Black Nations/Queer Nations?“ verdeutlichen vor allem eines: Wir sind multiple soziale Wesen, die sich permanent mit den Widersprüchen unterschiedlicher Traditionen und Kulturen auseinandersetzen müssen. Dazu gehört auch der eigene Rassismus.

„The Colors and Cultures of the Rainbow“ ist eine queere Geschichtsstunde, die nur wenige Kilometer von „nationalbefreiten Zonen“ entfernt abgehalten wird. Sie setzt da an, wo schwule Medien versagen. Der vertraute Anblick der Regenbogenfahne löst bei so manchem shoppenden und fickenden Homosexuellen das selbe wohlige Gefühl aus wie das gelbe M von McDonald's. Trotzdem teilen nicht alle den volkstümlichen Kaffeetantenhumor etwa der schwulen Programmzeitschrift Sergej – seeehr gay. Deren aktuellen Ausgabe zeigt ein Foto der farbigen Sängerin Ultra Nate, dessen Bildunterschrift ihre Brüste als „ihre besten Freundinnen“ betitelt. In derselben Nummer wird die Veranstaltung der Baldwin Society unter dem Titel „Buntes“ als eine Reihe von Kurzfilmen „aus aller Herren Länder“ angekündigt, eine Auflistung der Filme fehlt. Es fragt sich, wie viele Bomben noch hochgehen müssen, bis einige Schwule in der Lage sind, den Unterschied zu treffen, von dem James Baldwin spricht.

Oliver Koerner von Gustorf ‚/B‘ „The Colors & Cultures of the Rainbow“; heute und am 30. 6. um 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190. Mit Jorge Lozano & Samuel Lopez: Samuel & Samantha On (San Salvador); Dawn Suggs: I Never Danced the Way Girls Were Supposed to; Cheryl Dunye: The Potluck and the Passion; Thomas Harris: Splash; Mickey Chen & Ming Hsui Chen: Not Simply A Wedding Banquet