Habibie hat noch nicht verloren

Indonesiens Opposition steht nach dem absehbaren Wahlsieg ein weiter Weg in den Präsidentenpalast bevor  ■   Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Megawati Sukarnoputri, die voraussichtliche Siegerin der indonesischen Parlamentswahlen, hat eine Eigenschaft, die ihre Gegner auf die Palme treibt und ihre Anhänger beruhigt: In schwierigen Zeiten schweigt sie. Das war im vergangenen Jahr so, als Jakarta von Unruhen erschüttert und der alte Diktator Suharto zum Rücktritt gezwungen wurde. Jetzt schweigt sie wieder, sagt nichts über ihre Pläne, während die politische Lage in der Hauptstadt immer verworrener wird, andere Politiker bereits eifrig Koalitionsgespräche führen und konservative Muslimpolitiker lautstark gegen eine Frau an der Spitze des Staates polemisieren.

Seit über zwei Wochen zieht sich die Bekanntgabe des Ergebnisses dieser ersten freien Parlamentswahlen der letzten vier Jahrzehnte hin. Das endgültige Resultat wird, wie die nationale Wahlkommission am Montag bekanntgab, erst im Juli vorliegen. Bestätigt sich der bisherige Trend – rund drei Viertel der Stimmen sind ausgezählt – liegt Megawatis „Demokratische Partei Indonesiens – Kampf“ mit etwa 35 Prozent bequem vor ihren wichtigsten Herausforderern. An zweiter Stelle folgt mit bislang 22 Prozent die regierende Golkar-Partei von Präsident B. J. Habibie.

Platz drei erreicht die „Nationale Erweckungspartei“ des gemäßigten Muslimführers Abdurrahman Wahid. Er hat gemeinsam mit Megawati und dem Politikprofessor und Muslimführer Amien Rais („Nationale Mandatspartei“) vor den Wahlen eine lockere Reformallianz gebildet.

Noch ist völlig ungewiß, ob Megawati, die Tochter des einst von Suharto entmachteten Staatsgründers Sukarno, den Sprung in den Präsidentenpalast schafft. Dafür bräuchte sie nicht nur die Mehrheit der 462 gewählten Abgeordneten und 38 Militärvertreter im 500köpfigen Parlament, sondern auch die Stimmen von 200 ernannten Delegierten der Provinzen und verschiedener sozialer Organisationen und Berufsgruppen. In der „Beratenden Volksversammlung“ (MPR) wählen diese 700 Personen das Staatsoberhaupt, das zugleich Regierungschefin oder -chef ist.

Das Wahlsystem begünstigt aber die entlegeneren Regionen, in denen die alte Regierungspartei stark ist. Sie wird daher eine sehr große Fraktion im Parlament und in der MPR bilden können. Golkar-Politiker sind eifrig dabei, Bündnispartner zu suchen, und ihre Chancen sind nicht schlecht: Die mit rund 10 Prozent der Stimmen an vierter Stelle liegende „Vereinigte Entwicklungspartei“, hat bereits erklärt, Präsident könne nur ein guter „muslimischer Sohn“ Indonesiens werden. Das paßt hervorragend auf den frommen Habibie, der als ehemaliger Chef der einflußreichen muslimischen Intellektuellenvereinigung ICMI von vielen Muslimen geschätzt wird. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen steht bevor.

Selbst innerhalb der beiden größten Religionsgemeinschaften, deren langjährigige Führer Wahid und Rais zur Reformallianz um Megawati gehören, wächst inzwischen der Widerstand gegen die sekuläre Haltung der Oppositionspolitikerin, deren Partei viele chinesischstämmige Kandidaten zur Wahl aufgestellt hatte. Zudem gibt es starke Kräfte in der Armee, die sich fürchten, unter einer Regierung Megawati Macht und Pfründen zu verlieren, obwohl sie das Militär in den vergangenen Monaten stark hofiert hat. Bislang hat sich Armeechef Wiranto noch nicht offiziell für eine Seite entschieden.