Ein Paradies für Schwarzmarkthändler

■  In den Geschäften im Kosovo gibt es buchstäblich nichts. Die Hilfsorganisationen haben die Versorgungslage noch nicht im Griff

Der Mann stellt einen Benzinkanister vor mich hin. „Können Sie mir nicht helfen, ich bekomme kein Benzin, bei den Serben keinen Tropfen und jetzt auch nicht.“ Die gerade aufgebaute UÇK-Verwaltung hat in Prizren das Benzin rationiert. Zugang bekommen nur jene, die sich einen Berechtigungsschein in der UÇK-Zentrale abholen. Den bekommen wiederum nur jene, die nach dem Gutdünken eines UÇK-Mannes das Benzin auch brauchen. Mein Gegenüber verfügt über keine Beziehungen zu den Befreiungskämpfern. Denn er war ein Geschäftsmann, der den Krieg im Keller seines Hauses überlebte und nicht mit der Waffe in der Hand in den Wäldern herumgeirrt ist.

Benzin ist also nicht zu kriegen. Dafür gibt es wieder Bier. Einige Albaner aus Kukäs haben ihren Lastwagen durch das Chaos der Traktoren und Autos der heimkehrenden Kosovaren gebracht. Für die Strecke Kukäs – Prizren , knapp 50 Kilometer, brauchten sie acht Stunden.

Aber es hat sich gelohnt. Ohne von Zoll und Polizei behelligt worden zu sein, können sie nun das Bier und die Zigaretten gegenüber dem Hotel der Stadt zu stattlichen Preisen verkaufen. Die Stange Marlboro light für 40 Mark (sonst 20), die Flasche Bier für 2 bis 3 Mark. Die albanischen Schwarzmarkthändler finden viele Käufer. Denn die Zigaretten waren schon vor dem Abzug der Serben knapp und sind jetzt ganz ausgegangen. Von Bier konnten die Kosovaren schon lange nur träumen.

Um die Ecke hat es einmal einen Supermarkt gegeben. Die zerschlagenen Fenster sind notdürftig mit Plastikbahnen zugedeckt. Auch der Laden nebenan ist geschlossen. An einer Straßenecke werden Kohlköpfe angeboten. Lange Schlangen haben sich gebildet. Auch Schokoladen, Plätzchen und allerlei Süßigkeiten gibt es einem der wenigen geöffneten Geschäfte zu kaufen. Doch Brot gibt es nirgends. „Das kommt alles wieder,“ sagt tröstend ein türkischer Verkäufer, der nichts zum Verkaufen hat.

Ein Traktor hält, auf dem Anhänger sitzen Frauen und Kinder. Sie kommen gerade aus Albanien an und müssen noch 40 Kilometer weiter. Der Fahrer sucht nach Eßbarem, nach Milch. Er muß wieder abziehen. Auf dem sogenannten Markt gibt es nichts mehr.

Auch die Vermieterin, Frau Domi, weiß nicht, wo man etwas Eßbares ergattern könnte. Sie habe gehört, einige Bauern hätten Tomaten in die Stadt gebracht. Die eigenen Vorräte sind zur Neige gegangen. Sie hätten selbst nur noch etwas Reis und Mehl.

Die Versorgung ist in Kosovo noch nicht gesichert. Die zurückkehrenden Flüchtlinge verstopfen die Grenzübergänge, die KFOR-Truppen haben genug damit zu tun, ihre eigenen Soldaten zu versorgen. Die Hilfsorganisationen eröffnen zwar Büros, die humanitäre Hilfe, die Lebensmittel, sind jedoch noch nicht geliefert.

In der Stadt Stimlje werden immerhin Tomaten und Gurken angebote. Ein britischer Soldat, der hier Wache steht, will sogar einen Mann mit zwei Laib Brot gesehen haben.

Auf dem Weg nach Pritina ist kein einziger Laden geöffnet. Die Tankstellen sind geschlossen. Auch in der Stadt sind die meisten Läden zu. „Vielleicht öffnen sie morgen wieder,“ sagt Frau Domi. Sie hat aus Mehl und einem Ei 20 Pfannkuchen gezaubert. Ihre Vorräte wurden durch serbische Soldaten, die in ihrem Haus einquartiert waren, weggeschafft. Frau Domi hat das Mehl, Eier und Kaffee von Nachbarn bekommen, die einen Tag zuvor aus Makedonien zurückgekommen sind. „Bald kommt unser Sohn aus Tetovo zurück, der muß noch eine Satellitenschüssel kaufen, die Serben haben unsere und den neuen Fernseher mitgenommen“, sagt Herr Domi. Daß sie noch nicht die deutschen Programme sehen können, wurmt das Paar, das lange in Deutschland gelebt hat, besonders.

Bald jedoch könnte es von kosovarischen Boden aus sogar wieder Radioprogramme geben. Die Schweizer Regierung hat versprochen, eine UN-Sendestation aufzubauen. Die Vereinten Nationen sind nun dabei, eine Übergangsverwaltung aufbauen, und sind für die Provinz verantwortlich, bis freie Wahlen abgehalten werden. Es sollen eine öffentliche Verwaltung, eine neue Polizei und ein Justizsystem aufgebaut werden. Der provisorische Administrator für das Kosovo, Sergio de Mello, kündigte an, es würden internationale Übergangsverwalter für die Bezirke und Gemeinden bestimmt. Außerdem werden bis zu 3.000 internationale Polizeibeamte eingesetzt und gleichzeitig eine lokale Polizeitruppe ausgebildet.

Erich Rathfelder, Prizren