Cool! Funky! Peace!

Manchmal nur ein feuchter Traum: Samurai Fiction von Hiroyuki Nakano, dem „Kurosawa des Musikfernsehens“  ■ Von Tobias Nagl H

Hiroyuki Nakano betreibt ein ehrgeiziges Projekt. Er hat bereits 140 weitere Filmepisoden geplant, die seinem Regiedebüt Samurai Fiction folgen sollen. Wie bei allen großen Visionären stehen die Titel natürlich als erstes und lauten etwa Stereo Future, Silent Femme oder Super Funky. Drehbücher für einen Fantasy-Abenteuerfilm und ein „Unterwassermusical ohne Gesang“ liegen angeblich auch schon vor. Der Multimedia-Künstler Nakano gilt als „Kurosawa des Musikfernsehens“: So prominente Acts wie Dee-Lite, Paul Weller, Les Ritas Mitsoukos und Saint Etienne haben bereits auf die Dienste seiner nach der Tyrell Corporation aus Blade Runner genannten Produktionsgesellschaft zurückgegriffen. Zu seinen Freunden zählt der Modedesigner Paul Smith, und Nakano beherrscht das Klimpern auf der Medienklaviatur perfekt. Wenn er dann noch, wie auf dem Hamburger Filmfest, mit crazy Cowboyhut auftritt, hat er das Publikum meist von vornherein auf seiner Seite. Andere hingegen fühlten sich eher an Billy Mo oder den jodelnden Takeo Ishi erinnert. Nicht jeder reagiert so enthusiastisch auf Konzepte, die als „Cool! Funky! Peace!“ angekündigt werden.

Bei Samurai Fiction besteht die früher oder später zur Oropax-Kiste greifen lassende Filmmusik aus dem so unsäglichen wie unsagbar virtuosen Heavy-Metal-Solo-Gitarren-Gewimmer des japanischen Rockstars Tomoyasu Hotei, der seine Stromgitarre schon bei David Bowie, auf dem Score von Fear and Loathing in Las Vegas und bei der Abschlußzeremonie der Olympischen Spiele in Atlanta einstöpseln durfte. Happiness is a warm Luftgitarre in the first place. Sein aktuelles Album Battle Royal Mixes II mit Moloko und Fluke ist dieser Tage bei EMI erschienen. Und Hotei spielt auch die Hauptrolle in Samurai Fiction. Ein ganz schön hippes Medien-Biotop also.

Japan im späten 17. Jahrhundert. Das Land ist befriedet, seit Jahrhunderten gab es keine Kriege mehr, die Samurai des Nagashima-Clans bringen ihre Zeit mit der Verfeinerung ihrer Kampfkünste zu. Eines Tages wird die Krieger-Idylle von einer Schreckensnachricht erschüttert: Der zum Schutz der Schätze des Shoguns angeheuerte Samurai Ka-zamatsuri (Hotei) sei mit dem wertvollen Prunkschwert durchgebrannt. Der hitzköpfige und etwas tölpelhafte Sohn des Obersten Rats, Heishiro, heftet sich ohne Erlaubnis an die Fersen des Outlaws, um sich Kriegerehren zu erstreiten, während sein Vater Kanzen ihm zum Schutz lieber ein paar Ninjas hinterherschickt. Heishiro verliert bei der ersten Begegnung mit dem gefürchteten Kazamatsuri nur deshalb nicht das Leben, weil der herrenlose Ronin Hanbei eingreift, und ihn mit seiner Tochter gesundpflegt. Der für seine Schwertkunst im ganzen Land berühmte Hanbei ist ein Philosoph des Friedens, aber Kazamatsuri drängt auf ein Duell. Als er Hanbeis Tochter entführt, zwingt er ihn zum entscheidenden Kampf.

Nakano setzt diese epische Geschichte zwar mit viel Liebe zu Vorbildern wie Kurosawa in Szene, spickt sie mit gelegentlich mit wirklich hinreißend komischen Slapstick-Einlagen und ironisiert den martialischen Gestus der chambaras. Dennoch hinterläßt das kaum mehr als den episodischen Charakter einer stilistischen Fingerübung und nimmt sich bisweilen aus wie eine Ansammlung von Clips, den auch die mit voller Breitseite eingesetzten digitalen Effekte nicht wettmachen können. Samurai Fiction versteht sich als peacedelic Hommage an die gänzlich aus der Mode gekommenen japanischen Schwertkampf-Filme – setzt deren abstrakte visuelle Qualitäten aber weitgehend als feuchten Traum eines MTV-Regisseurs fort.

Das ist eigentlich schade und für Nakano ein Rückschritt. Denn es war gerade der allein auf seinen pointierten Schnitt vertrauende Minimalismus von Niten-Ichiryu, einem wie eine Samurai-Fiction-Vorstudie wirkenden Videoclip für den das Säbelklirren aus Yojimbo samplenden britischen Drum-&-Bass-Künstler Photek, der gezeigt hat, daß Nakano den Style-Overkill gar nicht nötig hat. Leute, die in der Werbung arbeiten, werden das aber wohl als unterhaltsame Fortbildungsveranstaltung zu schätzen wissen.

Mein liebster Samurai-Gag kommt denn auch aus der weitaus bescheideneren Dogma-Produktion Mifune. Dessen Protagonist rennt mit Kochtopf auf dem Kopf und Handschuhen auf den Ohren unverständliche Silben brüllend durch den Keller, um seinen gehandicapten Bruder zum Lachen zu bringen. „Mifune“ heißt dieses Spiel. Wer das denn gewesen sei, dieser Toshiro Mifune, wird der Bruder einmal gefragt. Freudestrahlend antwortet er: „Der 7. Samovar!“. Wer den beim Dampf ablassen sehen will, freut sich auf die an Samurai Fiction anschließende Reihe mit Samovar-, ähm, Samurai-Filmen im 3001. So ergibt das alles doch wieder einen Sinn. Cool.

Do, 24. bis Mi, 30. Juni, 20.30 Uhr, 3001