Gentlemen like und im Dirndlkleid

■ 2000 Anschläge: Die Ex-Kultursenatorin und grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel über Bernt Schulte und Elisabeth Motschmann (beide CDU), die neuen Köpfe in der Kulturpolitik für die kommenden vier Jahre

Der frühere Bausenator Bernt Schulte (CDU) ist nicht nur neuer Innensenator, sondern übernimmt auch die Verantwortung in der Kulturpolitik. Elisabeth Motschmann (CDU), bislang kulturpolitische Sprecherin ihrer Partei, hat beste Aussichten, Staatsrätin für Kultur zu werden.

Diese Ernennungen stoßen innerhalb der Kulturszene durchaus auf Anerkennung. Zumindest Schulte wird nachgesagt, einen größeren Sinn für Kultur zu haben, als seine Vorgängerin Bringfriede Kahrs (SPD) in ihrer Amtszeit erkennen ließ. Wir haben die Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel (Die Grünen) gebeten, vor dem Hintergrund der getroffenen Koalitionsvereinba-rungen einzuschätzen, was aus ihrer Sicht in den kommenden vier Jahren kulturpolitisch von den neuen AmtsträgerInnen zu erwarten ist.

Ohne Zweifel ist Bernt Schulte ein liberaler CDUler. Er ist ein ausgewiesener Kulturpolitiker und sein persönlicher Umgangsstil ist gentleman like. Auch hat er schon einmal dafür votiert, einen Film zu fördern, der die Menschenrechtssituation der Kurden kritisch beleuchten sollte. Also ganz anders als von seinem Parteifreund Ralf Borttscheller, der sich in der Vergangenheit als Innenpolitik-Rambo aufgeführt hat, kann man von Herrn Schulte durchaus differenzierte Töne erwarten.

Die besonderen Vorzüge von Herrn Schulte werden aber schnell zum Nachteil, wenn er sich jetzt nicht zum Konflikt durchringt und um klare Verhältnisse in der Kulturfinanzierung und Kulturstruktur kämpft. Leider ist das am Wochenende vorgelegte Koalitionspapier im Bereich Kultur mehr als vage formuliert, was die Anhebung des Kulturetats und die Zukunft der verschiedenen Einrichtungen angeht. Man hätte 150 Millionen Mark Kulturetat für die kommenden vier Jahre vereinbaren müssen, wenn man dem selbstgesteckten Ziel gerecht werden und Bremen zur „Kulturstadt“ machen wollte. Statt dessen hat die Große Koalition in ihrem Papier keine Summen genannt.

Schulte gilt nun wahrlich nicht als harter Verhandler. Das kann die Situation für die Kulturpolitik brenzlig machen. Schulte ist in der vergangen Legislaturperiode in seiner Funktion als Bausenator keine harten Konflikte in der Stadtentwicklungspolitik eingegangen, etwa bei der Diskussion um die Zukunft der alten Hafenreviere oder den Plänen um die Schaffung des Space Parks. In seinem neuen Betätigungsfeld hat er nur dann eine wirkliche Chance auf erfolgreiche Politik im Sinne der Kultur, wenn er sich für eine Anhebung der Eckwerte einsetzt und deutlich macht, daß Investitionen in und Ausgaben für Kultur Zukunftsinvestitionen sind.

Versäumt er das, läuft das Kulturressort Gefahr, zum Wurmfortsatz des Innenressorts degradiert zu werden. Nur wenn Schulte jetzt sofort Akzente setzt und auch jene Mittel in den Kulturhaushalt integriert, die bislang vom Wirtschaftsressort vergeben werden, wird er für die Kultur dieser Stadt etwas Substantielles erreichen können. Der Gentleman bittet zur Kasse: Diese Forderung muß am Anfang stehen. Nur auf dieser Grundlage ist dann eine substantielle und transparente Kulturentwicklungsplanung möglich.

Mit Elisabeth Motschmann wird eine CDU-Parlamentarierin Staatssekretärin für Kultur, die im Senat in der Vergangenheit nicht zum Zuge gekommen ist. Damit trägt diese Besetzung auch den Makel des „Untergebrachtwerdenmüssens“.

Anders als Schulte gehört Frau Motschmann nun nicht zu den aufgeklärtesten Geistern, die man sich besonders in der Kulturpolitik wünscht. Frau Motschmann ist der Tradition sehr verpflichtet. Modisch drückt sie das gerne durch das Tragen roter und blauer Dirndlkleider aus.

Mit Frau Motschmann wird eine Frau Staatssekretärin, für die Kultur mehr mit dem Diktat von Werten zu tun hat als mit kritischer Refelexion und dem Diskurs einer Gesellschaft. Sie verficht einen gewissen anti-modernen Impuls, der der Komplexität und Vielfalt der Bremer Kulturszene nicht gerecht wird.

Frau Motschmann war in der Vergangenheit eine Verfechterin der weitgehenden Privatisierung der Kulturabteilung. Diese Privatisierungsgefahr wird mit ihrer neuen politischen Rolle wieder größer. Die indirekt dem Wirtschaftsressort unterstehende und zahlreiche kulturwirtschaftliche Unternehmen unter sich wissende Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft (HVG) wird immer mächtiger, die der HVG angegliederten Kultur-GmbHs werden zahlreicher, was die öffentliche Kulturverwaltung weiter schwächt und damit auch die demokratisch legitimierte Kulturpolitik.

Frau Motschmann neigt dazu, den öffentlichen Gestaltungsauftrag von Kultur zu vergessen. Aber nur so ist Vielfalt in der Kulturlandschaft zu erreichen. Helga Trüpel