Schluß mit Schlager

Heute gehen in Berlin die siebziger Jahre ein zweites Mal zu Ende. Dieter Thomas Kuhn will die Konsequenzen aus seiner siebenjährigen Amtszeit ziehen und zurücktreten. Heute um 20.30 Uhr findet der Abschied im Columbiadamm statt.

Zum Lebenswerk des „schrillen Spaßvogels“ (Schwäbisches Tagblatt), wie es nun abgeschlossen vorliegt, ist folgendes zu sagen: Kuhn hat für die „postmoderne Generation“ die versunkene Schlagerwelt mit Erfolg recycelt. Dank Kuhn darf jeder junge Mensch, der sonst nur abseitige Trip-Hop-Erlebnisse im Schrank stehen hat, „Deine Spuren im Sand“ hören. Er muß nur durch eine zehn Meter dicke Ironiewand hindurch.

Kuhn & Band haben so getan, als wären diese Lieder nur ironisch zu ertragen. Das ist falsch. Viele Schlager sind gut. Nur traut sich das inzwischen niemand mehr zu sagen. „Und es war Sommer“ von Peter Maffay zählt vielleicht sogar zu den berührendsten Liebesliedern, die je in deutscher Sprache geschrieben wurden. Bei Kuhn wurde daraus ein würdeloser Stampf- und Mitgrölsong für ein Publikum, das zwanghaft Spaß haben will.

Trotzdem hat Kuhn bei Menschen, die die Siebziger nicht miterlebt haben, eine tiefe Sehnsucht nach der Vergangenheit geweckt. Der Trick: Ironie vortäuschen, nur um am Ende um so effektvoller das große Gefühl propagieren zu können. Wer aber in Erinnerungen an die Siebziger schwelgt, sollte Stammheim, Helmut Schmidt und die Ölkrise nicht vergessen. Es war ja nicht alles nur Küsse im Sommerwind. Nostalgie ist die Sehnsucht nach einem Leben, das man nie gelebt hat. Nostalgie macht dumm.

So, liebe Kinder: Jetzt kommen die Schlaghosen wieder auf den Speicher. Und wenn ihr morgen in die Bank geht, dann zieht euch bitte was Anständiges an. Der Spuk ist vorbei. Jetzt wird Geld verdient! Oliver Fuchs

Dieter Thomas Kuhn, 20.30 Uhr, Columbiadamm