Heteros und Homos in einem Zug vereint

■ Schwul-lesbischer Christopher Street Day feiert mit viel Pop und ein bißchen Politik

Die Veranstalter erwarten neue Rekorde. 300.000 Teilnehmer, so schätzen sie, werden sich am Samstag zum Berliner Christopher Street Day (CSD) zwischen Kurfürstendamm und Bebelplatz einfinden. Die Bezeichnungen für das Spektakel am jährlichen Festtag der Schwulen und Lesben differieren: Wem die politischen Forderungen am Herzen liegen, redet von einer „Demo“, wer das Vergnügen in den Mittelpunkt stellt, spricht lieber nach angelsächsischem Vorbild von einer „Parade“.

Dieses Jahr gilt es, gleich ein doppeltes Jubiläum zu feiern. Vor 30 Jahren, am 22. Juni 1969, setzten sich New Yorks Schwule in der Christopher Street erstmals gegen eine Polizeirazzia zur Wehr. Und vor 20 Jahren fand die erste Berliner CSD-Demo statt, bei der viele Teilnehmer noch vermummt auftraten. Inzwischen drängen die heterosexuell veranlagten Mitmenschen so zahlreich auf den CSD, daß manche Homos im vergangenen Jahr, bei 220.000 Teilnehmern, schon die „Diktatur der Normalität“ fürchteten.

Wie im Vorjahr besteht der Zug aus 72 Wagen auf einer Länge von rund zwei Kilometern. Um 11 Uhr soll er sich vom Kurfürstendamm, Ecke Knesebeckstraße, in Bewegung setzen. Den Wittenbergplatz wird er gegen 13 Uhr, die Siegessäule gegen 14 Uhr passieren. Gegen 17 Uhr soll Unter den Linden die Abschluß-„Kundgebung“ beginnen. Politische Reden wird es diesmal aber nicht geben, nachdem im Vorjahr gleich zwei Bundesministerinnen in spe kurzfristig abgesagt hatten. Statt dessen wollen die Veranstalter diesmal den Popsänger Jimmy Sommerville eigens aus London einfliegen.

Ein bißchen Politik gibt's aber trotzdem. Zu den Forderungen, die das „CSD-Forum“ aus Berliner Lesben- und Schwulengruppen verabschiedet hat, zählt insbesondere, den Schutz der herkömmlichen Ehe aus dem Grundgesetz zu streichen und statt dessen „all jene Lebensformen rechtlich abzusichern, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen“.

Dem radikalen Flügel der Bewegung reicht das nicht. Deshalb ruft er nach einjähriger Pause wieder zu einer separaten Demo in Kreuzberg auf, um 17.55 Uhr vom Oranienplatz zum Heinrichplatz. Der „CSD Color“ fordert unter anderem, „Schröder, Scharping, Fischer zu Minenaufräumarbeiten in den verstrahlten Kosovo“ zu schicken. rab