Bewag muß billigen Strom durchlassen

■  Das Bundeskartellamt verdonnert den Energieversorger, seine Leitungen für die Importenergie der Konkurrenz zu öffnen – und zwar sofort. Großkunden wie Abgeordnetenhaus profitieren zuerst. Bewag will dagegen klagen

Die Tage des Monopols der Bewag bei der Versorgung mit Strom sind gezählt. In seiner mündlichen Verhandlung forderte das Bundeskartellamt den Energieversorger gestern zur sofortigen Durchleitung von Strom der Konkurrenz auf. Damit können demnächst Privatverbraucher und Unternehmen Energie von auswärtigen Versorgern kaufen, die niedrigere Preise bieten. „Das ist in öffentlichem Interesse. Eine andere Entscheidung wäre nicht plausibel“, sagte Klaus-Peter Schultz, der Leiter der zuständigen Beschlußabteilung beim Bundeskartellamt.

Die Bewag weigert sich zur Zeit noch, Importstrom der Konkurrenz ins Berliner Netz einzuspeisen, und blockiert damit unter anderem die Lieferungen der Konzerne Energie Baden-Württemberg und RWE an das Abgeordnetenhaus und Daimler-Benz. Bei vermehrter Durchleitung von zusätzlicher Energie könne es zum Zusammenbruch der Versorgung und zu Stromausfällen in ganzen Bezirken kommen, argumentiert die Bewag. Erst, wenn 2001 eine neue Stromtrasse nach Westen in Betrieb gehe, seien Überlastungen der Berliner Leitungen nicht mehr zu befürchten.

Diese Blackout-Prognose ängstigt das Kartellamt, das den freien Wettbewerb schützen soll, jedoch nicht. Mit dem überzogenen Sicherheitsverständnis versuche die Bewag drohende Absatzverluste zu vermeiden, unterstellte Wettbewerbshüter Schultz. Das bedeute, daß die Bewag in Widerspruch zum liberalisierten Energiegesetz ihre Marktstellung mißbrauche.

Die Bewag ertrage diese „arrogante Belehrung“ mit Gelassenheit, sagte der Vertreter des Energieversorgers, Rainer Bechtold. Er warf der Wettbewerbsbehörde vor, die Sachargumente der Bewag nicht „hinreichend zu würdigen“.

Der Energieversorger versuchte den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes in Frage stellte. Es gehe ausschließlich um eine Berliner Angelegenheit, weshalb die Landeskartellbehörde gefragt werden müsse. Die Bundesbehörde freilich verwies darauf, daß überregional tätige Unternehmen wie RWE gegen die Bewag geklagt hätten.

Die Bewag hat nun bis zum 1. Juli Zeit, auf die 170seitige Abmahung des Bundeskartellamtes zu reagieren. Danach wird die Behörde wohl einen Beschluß fällen, der die Durchleitung von auswärtigen Strom gebietet. Besteht das Amt auf dem sofortigen Vollzug, nützt der Bewag auch eine Beschwerde vor dem Kammergericht nichts. Ob eine eventuelle Klage die Durchleitung noch lange hinauszögern kann, ist noch nicht klar.

Daß zunächst große Unternehmen, später auch private Verbraucher billigen Strom kaufen können, muß in ökologischer Hinsicht nicht unbedingt einen Vorteil bedeuten. Konzerne wie RWE haben Atomstrom im Angebot, den die Bewag nur zu einem geringen Teil liefert. Außerdem gerät die vergleichsweise umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung der Bewag-Anlagen ins Hintertreffen.

Nino Ketschagmadse