In Fußballand

■ Bayers Mephisto zwingt Frauen zur Unmoral - ich schlürfte Schampus mit ihm

Die Arbeit als Korrespondent für eine große Tageszeitung, die nicht diese ist, bringt es gelegentlich mit sich, daß man zum Essen eingeladen wird. So kann ich gerne bestätigen, daß man im Kasino der Bayer AG in Leverkusen ausgezeichnet speisen kann, zumal, wenn man sich in einem der separierten Nebenräume niederläßt und dort auf Anregung von Jürgen von Einem „erst mal ein Gläschen Champagner“ trinkt.

 Bayers Mephisto zwingt Frauen zur Unmoral – ich schlürfte Schampus mit ihm

Es ist ein Vergnügen, sich mit dem dem Sportbeauftragten des Bayer-Konzerns zu unterhalten. Denn Jürgen von Einem ist der Geist, der stets bejaht – den Markt vor allem.

Das ist in seiner Welt der Geschäfte und darwinistischen Konkurrenzkämpfe nicht außergewöhnlich. In der Welt des Sports hingegen sieht es ganz anders aus. „Verquastes Mäzenatentum“ hat der weißhaarige Manager dort ausgemacht und geht ihm an den Kragen. Und so hat sich der Sportbeauftragte im Laufe seiner Jahre der Beschäftigung mit den rotbäckig idealistischen Menschen des Sports leicht mephistophelische Züge zugelegt. „Ich zwinge junge Frauen, die bei Bayer Sport getrieben haben, zu unmoralische Handlungen“, sagt er vergnügt, weil die Handballspielerinnen von Bayer nach Wegfall der Unterstützung durch den Konzern in ihrer Not ihre nackten Körper mit Farbe bemalen und sich so fotografieren ließen. „Ich habe mehrfach gefragt, welche Sponsoren man dadurch gewinnen will, und warte noch immer auf die Antwort“, sagt von Einem und grinst dunkel.

Vor sechs Jahren hat er begonnen, den Bayer-Sport klar zu trennen: „Breitensport hat eine gemeinnützige Zielrichtung, Spitzensport heißt Sportsponsoring unter werblich-kaufmännischen Gesichtspunkten – dazwischen gibt es nichts.“ Seitdem muß jede Sportart, die Profisport sein will, nachweisen, daß sie ihre Zuwendungen auch verdient.

Im zunehmend international agierenden Konzern bedeutete das auch, daß „wir den Anspruch stellen, internationale Werbeeffekte zu erzielen“. Tennis, Boxen oder besagter Frauen-Handball wurden schon „zurückgeführt in den Breitensport“, großer Gewinner ist der Fußball. Aus der einst „wildwüchsigen Unterstützung“ ist ein präzise konstruiertes Geschäftsverhältnis zwischen Konzern und Fußball-GmbH geworden.

Neunzig Minuten Bayer-Fußballer live im Fernsehen, so rechnet man, haben den Gegenwert von neun Minuten Werbespots. In der letzten Spielzeit waren es 60 Millionen Mark. Bayer tätigt eine Werbeinvestition, „zurück kommt ein Werbeeffekt, der den Return of Investment darstellt“, sagt von Einem. In der kommenden Saison spielt Bayer in der Champions League, und damit ist genau jene europäische Medien-Präsenz gesichert, um die es vor allem geht.

Neugierig lugt der Sportbeauftragte über das wirklich ausgezeichnete Hühnchenfilet hinweg. Gut, also stelle ich, angesichts soviel quälend emotionslosen Umgangs mit dem schönen Spiel, die Frage, auf die er nur gewartet hat: „Wieviel solcher Klubs kann der Fußball vertragen?“ – „Die Frage stellt sich so nicht“, sagt von Einem etwas mitleidig, „denn in zehn Jahren wird jeder Klub diesen oder einen ähnlichen Charakter haben. Mercedes und VW sind uns bereits exakt auf der Spur.“

Zuviel Geld kostet Fußball inzwischen, weshalb er in eine andere Welt wechselt, und die wird den Konzernen gehören. Für Jürgen von Einem sind Fußballklubs Marken, die man „werblich entwickeln“ kann. „Und es gibt bestimmte Marken, die können sie immer wiederbeleben.“ Sogar beim 1. FC Köln, unter dessen Arroganz sie in Leverkusen lange gelitten haben, wäre das möglich, „es dauert aber fünf bis zehn Jahre.“

Wir reden noch über die Europaliga im Zeitalter des digitalen Fernsehens. Dann werde ich plötzlich müde, weil ich nicht möchte, daß Jürgen von Einem Recht behält mit seiner Sicht auf die Welt, und befürchte, daß er es doch tut. Deshalb kann ich mich auch nicht mehr erinnern, was es zum Nachtisch gab.