In der Karibik droht eine Reihe von Hinrichtungen

■ Vollstreckungen der Todesstrafe gelten als Emanzipation von der Ex-Kolonialmacht

Berlin (taz) – Nachdem Anfang Juni in Trinidad und Tobago erstmals seit fünf Jahren wieder Todesurteile vollstreckt wurden, droht dieses Beispiel jetzt auch in anderen Karibikstaaten Schule zu machen. Noch für diese Woche ist in Jamaika die erste Exekution seit 1988 geplant, Barbados und St. Lucia wollen als nächtes hinrichten. In karibischen Gefängnissen warten insgesamt 250 Todeskandidaten auf den Henker.

Der Weg für die Hinrichtungen wurde frei, nachdem die Lordrichter des britischen Privy Councils im Mai die Berufungsklage der „Trinidad Neun“, einer mörderischen Bande von Drogendealern, abgelehnt hatten. Großbritanniens oberstes Gericht dient noch zehn Karibikstaaten als höchste Berufungsinstanz.

Anfang Juni bezeichnte Jamaikas Ministerpräsident Percival Patterson am Rande eines Besuches im kanadischen Toronto die Exekutionen in Trinidad als wichtigen Präzendenzfall. Jamaikas erste Todeskandidaten sind Joseph Thomas, der 1993 einen Busunternehmer samt Angestellten ermordete, und Neville Lewis, der bei einem Autodiebstahl einen Mann umbrachte. Im Ursprungsland des Reggae gibt es noch 42 weitere Todeskandidaten. Angesichts der gewachsenen Gewalt äußern nur wenige Bedenken gegen die Todesstrafe, die als wirksame Lösung gepriesen wird. 1998 wurden von Jamaikas 2,6 Millionen Einwohnern 953 ermordet, doppelt so viele wie vor 15 Jahren.

Populistische Politiker verbinden mit der Vollstreckung der Todesstrafe auch die Loslösung vom britischen Privy Council. Zwar haben sich die Lordrichter trotz einiger Aufschübe den Exekutionen letztlich doch nicht in den Weg gestellt. Doch in der Karibik sehen viele nicht mehr ein, warum in ihren Angelegenheiten überhaupt Richter aus einer anderen Kultur in Tausenden Kilometern Entfernung das letzte Wort haben. Populistische karibische Politiker schlagen mit der Forderung nach Vollstrekkung der Todesstrafe somit zwei Fliegen mit einer Klappe. „Die Bühne ist bereitet, damit opportunistische Politiker symbolische Lösungen anbieten können“, sagt Samuel Jordan von amnesty international. Schließlich seien Exekutionen einfacher, als die Ursachen der Gewalt, wie wirtschaftliche und soziale Probleme und der Drogenhandel, zu beseitigen.

In London wollte noch gestern der Labour-Abgeordnete Gerald Kaufmann im Unterhaus die Einstellung der Entwicklungshilfe für jene Karibikstaaten fordern, die die Todesstrafe vollstrecken. Außenminister Robin Cook hatte vergeblich versucht, Trinidad von den Exekutionen abzubringen.

Sven Hansen