Abdullah Öcalan verteidigt sein Leben

■ Zum letzten Mal bietet sich der PKK-Chef in seinem Prozeß als Friedensstifter an. Die Ankläger halten das für scheinheilig

Mudanya/Bonn (AP/AFP) – Abdullah Öcalan hat gestern seine letzte Verteidigungsrede vor dem türkischen Staatssicherheitsgericht gehalten, vor dem ihm wegen Hochverrats die Todesstrafe droht. Nach einem von seinen Anwälten vorab veröffentlichten Manuskript erklärte der Vorsitzende der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) erneut, er wolle einen friedlichen Ausgleich zwischen der Türkei und den kurdischen Rebellen zuwege bringen.

„Was ich von jetzt an tun kann in meinem Leben, ist, einen neuen Frieden und Prozeß der Brüderlichkeit zu schaffen“, sagte Öcalan laut der Erklärung. Die Beendigung der von der PKK geführten „rebellischen Bewegung“ sei möglich und notwendig. Den Kampf der PKK bezeichnete er als gerechtfertigt in einer Zeit der Unterdrückung, da sogar die kurdische Sprache verboten war. Die Türkei erkennt die Kurden nicht als Minderheit an; kurdische Rundfunkprogramme sind verboten. Das Verbot, Kurdisch zu sprechen, wurde 1991 aufgehoben. Der PKK-Chef ist des Hochverrats und Separatismus angeklagt.

Es wurde erwartet, daß auch die zwölf Anwälte in ihren Schlußplädoyers darauf hinweisen, daß nur ein lebendiger Öcalan dem Südosten der Türkei Frieden bringen könne. Öcalan hatte im Verlauf des Prozesses mehrmals erklärt, er könne für eine Einstellung des PKK-Kampfs sorgen.

Die Anklage wies diese Argumentation als scheinheilig zurück. Für den Fall seiner Verurteilung zum Tode kündigte Öcalan eine Verschärfung des Konflikts an. Sein Bruder Osman, ein im Norden Iraks ausharrender Kommandeur der PKK, äußerte sich ähnlich. Sollte die türkische Führung das Friedensangebot nicht annehmen, würden die Rebellen ihren Kampf gegen den türkischen Staat verstärken, sagte er dem kurdischen Sender CTV.

Das Gericht auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer trat erstmals ohne Militärrichter zusammen. Das türkische Parlament hatte auf Druck der Europäischen Union am Freitag die Verfassung dahingehend geändert, daß einem Staatssicherheitsgericht kein Militärrichter mehr angehören darf.

Unterdessen kündigte die Bundesregierung an, alles ihr Mögliche zu tun, um die Vollstreckung eines möglichen Todesurteils gegen Öcalan zu verhindern. Bonn werde den Fortgang des Prozesses und die Haftbedingungen Öcalans weiterhin mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, hieß es in einer gestern in Bonn veröffentlichten Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der PDS weiter. Sie wolle sich gegenüber der türkischen Regierung für eine faire und korrekte Behandlung des PKK-Chefs einsetzen.