Patt im Bundeskabinett

SPD und Grüne finden keine gemeinsame Haltung zur EU-Altautorichtlinie. Jürgen Trittin muß sich bei der geplanten Abstimmung im EU-Umweltrat enthalten  ■   Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – In der Sitzung des Bundeskabinetts haben sich SPD und Grüne gestern nicht auf eine gemeinsame Haltung zur EU-Altautorichtlinie einigen können, die voraussichtlich morgen abschließend von der EU-Umweltministerkonferenz beraten werden soll. Der Vorsitzende der Konferenz, Bundesumweltminister Trittin, darf damit nicht für die Richtlinie stimmen, die die Automobilhersteller zur Rücknahme von Altautos verpflichten soll. Der Grünen-Politiker muß nun darauf hoffen, daß auch ohne die zehn deutschen Stimmen die qualifizierte Mehrheit für die EU-Richtlinie zustande kommt.

Um den Gesichtsverlust für Trittin zu begrenzen, sprachen Bonner Regierungskreise gestern davon, daß sich die Bundesrepublik bei der Abstimmung im Kreise der Umweltminister enthalten werde. Gezählt werden am Freitag bei dem Votum über die Richtlinie allerdings nur die Jastimmen. Zwischen Enthaltung, Neinstimmen oder Nichtteilnahme besteht somit kein Unterschied.

Kanzler Schröder forderte gestern die EU-Umweltminister noch einmal auf, die Richtlinie zu überdenken, weil sie zu hohen Belastungen für die deutsche Autoindustrie führe. Nach der Rechnung des Kanzlers sind etwa 40 Prozent der 160 Millionen in der EU fahrenden Autos deutsche Fabrikate. Bei einem Inkrafttreten der EU-Richtlinie müsse die deutsche Autoindustrie sofort Rücklagen zwischen 15 und 30 Milliarden Mark bilden, sagte der Kanzler.

Das gestrige Patt im Kabinett geht auf eine Intervention des VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piäch beim Bundeskanzler zurück. Piäch hatte sich am vorigen Mittwoch telefonisch bei Schröder über ein Gespräch mit Trittin über die Altautorichtlinie beschwert. Der Kanzler, der früher von Trittin als „Piächs Papagei“ tituliert wurde, soll nach dem Telefonat einen Wutausbruch bekommen und mit Bundesaußenminister Fischer und den Spitzen der grünen Bundestagsfraktion sogar die Entlassung Trittins erwogen haben. Später dementierte Schröder jedoch entsprechende Berichte.

Trittin, der eigentlich für die Rücknahme von Altautos und das damit verbundene Recycling eintritt, hatte bereits im März in der EU-Umweltministerkonferenz eine Vertagung der Entscheidung über die Richtlinie erwirkt. Das Kabinett hat Trittin jetzt nicht dazu verpflichtet, noch einmal eine Vertagung zu verlangen und bei seinen Umweltministerkollegen für eine Änderung der Richtlinie zu werben, zu der die EU-Kommission nicht bereit ist. Damit besteht weiterhin die Chance, daß die Richtlinie am Freitag verabschiedet wird, wenn auch nicht mit den Stimmen Deutschlands.