Da gallopieren die Pferde

■ Das Musikprojekt „Mountain Tale“ bei der Hammoniale

Wenn Menschen Töne produzieren können, die man sonst nur von Synthesizern kennt, so ist das an sich schon ein Phänomen, das Aufmerksamkeit verdient. Wenn diese Töne zudem eingebunden in ein außergewöhnliches Klangkonzept präsentiert werden, kommt dabei ein so hörenswertes Konzert heraus, daß sich die Frage stellt, warum die St. Johanniskirche in Harvestehude Mittwoch abend nicht noch überfüllter war: In den Gängen und auf zusätzlichen Stühlen lauschte ein begeistertes Publikum dem Mountain Tale, einem Projekt, das drei ganz unterschiedliche Formationen zusammen im Rahmen der Hammoniale präsentierten: der bulgarische Frauenchor Angelite, dessen Sängerinnen mit den unirdisch klingenden Stimmen weltweit Erfolge feiern; Huun-Huur-Tu, ein Quartett aus Sibirien, das mit Ober- und Unterton-Gesang eben jene künstlich wirkenden Klänge erzeugen, sowie das Moscow Art Trio, das mit jazzigen und minimalistischen Sounds die traditionellen Klänge der beiden Formationen in ein neues Klangbild verwob.

Das Ergebnis: Eine Vielzahl an Stücken, in denen Harmonien, Rhythmen und Stile schon mal gegeneinander laufen. In separaten Ensembles kommen die Eigenheiten aller drei Stile für sich zur Geltung wie beim mehrschichtigen Gesang der Frauen oder bei Tierimprovisationen des Quartetts – da sah man die imitierten Pferde förmlich durch die Kirche galoppieren. Fulminant wird es beim Zusammenwirken aller drei Gruppen: Das Wechselspiel aus traditioneller und experimenteller Musik fasziniert.

Wer für den akustischen Genuß die Augen geschlossen hielt, verpaßte allerdings das dazugehörige Bild: die Frauen in quietschebunten Trachten, das Quartett in seidigen Kaftanen und die Performance. Ganz lebendig kam der Spaß an Musik rüber. Die MusikerInnen gingen mit, schwatzten zwischendurch auch mal, und insbesondere das Trio verstand es, sich selbst und die musikalischen Experimente nicht allzuernst zu nehmen. Das wirkte ansteckend. Mit standing ovations, hartnäckigem Rufen und Füßescharren forderte das Publikum mehrere Zugaben ein – und kaufte am Ausgang begeistert die CD fürs Hauskonzert.

Karen Schulz